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Die Nacht der Wölfe

Die Nacht der Wölfe

Titel: Die Nacht der Wölfe
Autoren: Christopher Ross
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die Lederschnüre, mit denen eine stabile Holzschiene an den gebrochenen Unterschenkel gebunden war, durch und untersuchte die Wunde. Mit den flachen Händen strich sie über das Bein und zog plötzlich und ohne Vorwarnung daran. Der Mann schrie vor Schmerz. »Verdammt! Was machen Sie da?«, schimpfte einer seiner Söhne.
    »Anders geht so was nicht«, antwortete Betty-Sue ernst. »Nur so wächst der Knochen wieder gerade zusammen. Oder wollen Sie, dass Ihr Vater humpelt?« Sie ließ sich einen sauberen Lappen geben und reinigte das Umfeld der Wunde mit heißem Wasser, schmierte eine übel riechende Flüssigkeit darauf und legte einen festen Verband an. »Sie haben Glück, Mister Blake«, sagte sie zu dem alten Mann, der sie immer noch böse anblickte. »Das ist ein glatter Bruch. In ein paar Wochen sind Sie wieder gesund. Lassen Sie sich ein Paar Krücken geben, aber passen Sie auf, dass Sie nicht stürzen.« Sie legte die Schiene an und nickte dankbar, als Clarissa ihr half, sie zu fixieren. Erleichtert richtete sie sich auf. »Wie ist das überhaupt passiert?«
    »Das wollen Sie nicht wissen, Ma’am. Ganz bestimmt nicht.« Seine Schmerzen hatten nachgelassen, und er konnte schon wieder grinsen. »Wissen Sie was, Schwester? Für eine Frau haben Sie das verdammt gut gemacht.«
    »Sie haben es gehört«, gab Clarissa sein Lob an die Söhne weiter. »Also gehen Sie zu den anderen, und sagen Sie ihnen, dass eine Frau durchaus in der Lage ist, ihre Wehwehchen zu behandeln. Betty-Sue wartet in der Praxis.«
    Sie kehrten in die Baracke zurück und hatten kaum Zeit, ihre belegten Brote zu essen, bevor die ersten Patienten auftauchten. Die meisten hatten nur leichte Verletzungen, die sich mit etwas Jod und einem Verband beheben ließen. Zwei Männern war übel, was aber eher an dem vielen Bier lag, das sie am Abend im Saloon getrunken hatten. Betty-Sue verteilte Pillen und Salbe, zog einen Fußnagel, der in die Haut gewachsen war, und riet einem Goldsucher, der über ständigen Juckreiz klagte, sich einmal gründlich zu waschen.
    Zu einer echten Herausforderung wurde ein alter Goldgräber, der mit einer dicken Backe in ihrer Praxis auftauchte und einen entzündeten Weisheitszahn entblößte. »Den müssen wir wohl ziehen«, entschied Betty-Sue nervös.
    Clarissa rief zwei andere Männer herein und bat sie, sich neben den Stuhl zu knien und den Patienten mit eisernem Griff zu umschlingen, während sie von hinten an ihn herantrat und seinen Kopf umklammerte. Betty-Sue hielt bereits die Zange in der Hand. Die Schwester versuchte, sich ihre Unsicherheit nicht anmerken zu lassen, und zwang sich zu einem Lächeln, während sie sagte: »Halb so schlimm, Mister, das haben wir gleich. Sie werden sehen, sobald Sie den Zahn los sind, geht es Ihnen schon viel besser. Wie heißen Sie?«
    »Ze-Zebulon«, brachte er stotternd hervor. »Ze-Zebulon Longarm.«
    »Na, dann wollen wir mal, Zebulon Longarm! Schließen Sie die Augen, dann ist es nur halb so schlimm. Denken Sie an was Schönes, einen riesigen Goldnugget, der plötzlich vor Ihnen im Fluss glitzert, an die strahlenden Gesichter Ihrer Freunde und Verwandten, wenn Sie als Millionär nach Hause zurückkehren …« Während sie den ängstlichen Mann mit ihren Worten ablenkte, setzte sie die Zange an, bekam den Zahn sofort zu fassen, musste aber sekundenlang mit beiden Händen kräftig hebeln, bis sich die Wurzel endlich löste und sie den Zahn ziehen konnte. Der Patient stöhnte vor Schmerz und sank erschöpft zurück, er hatte nicht einmal mehr die Kraft, den gezogenen Zahn anzusehen.
    »Schon vorbei«, sagte Betty-Sue. Auf ihrer Stirn standen Schweißperlen, und ihre Lippen zitterten. »Der macht Ihnen keinen Ärger mehr!« Sie legte die Zange mit dem Zahn beiseite und versorgte die Wunde, gab dem Mann ein starkes Schmerzmittel mit und war erleichtert, als er die Baracke verlassen hatte. Mit Tränen in den Augen ließ sie sich auf einen Stuhl fallen. »Soll ich Ihnen mal was sagen?«, wandte sie sich an Clarissa. »Das war mein erster Zahn. Noch so ein Patient, und ich brauche selbst einen Arzt. Machen wir Schluss für heute.«
    Clarissa half der Schwester beim Aufräumen und stellte ihr einen Becher mit heißem Tee hin. »Sie haben sich fantastisch gehalten, Betty-Sue! Das hätte Doc Boone nicht besser gekonnt. Ich glaube, Sie passen großartig hierher.«
    Betty-Sue war weniger überzeugt, sagte aber nichts.
    »Ich sehe noch mal nach den Hunden«, sagte Clarissa, zog sich ihre
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