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Die Nacht der Wölfe

Die Nacht der Wölfe

Titel: Die Nacht der Wölfe
Autoren: Christopher Ross
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Chena wenig zu tun. Sie haben sich längst mit ihrem Schicksal abgefunden, leben von der Jagd und dem Fischfang und tauschen ihre Felle in den Handelsposten gegen Lebensmittel ein. Ich will nicht sagen, dass es ihnen besonders gut geht, aber Hunger müssen wenige leiden. Es sind gute Menschen, Betty-Sue.«
    Nachdem auch Clarissa in ihren Anorak geschlüpft war und die Mütze und die Handschuhe übergestülpt hatte, verließen sie die Hütte. Clarissa verabschiedete sich von Emmett und den anderen Huskys und blieb eine ganze Weile neben ihrem Leithund sitzen. Er konnte nicht verstehen, dass sie mit einem anderen Gespann auf den Trail fuhr, und knurrte sogar leise. »Ich verstehe ja, dass du wütend bist, Emmett, und ich würde dich wirklich gerne mitnehmen. Aber diese Krankenfahrten werden im Auftrag der Regierung durchgeführt, und ich muss mich leider an die Vorschriften halten, auch wenn du ein dreimal so guter Leithund bist. Das verstehst du doch, oder? Sobald ich zurückkomme, bin ich nur noch für dich da, das verspreche ich dir. Dann trainieren wir für das Rennen.« Sie kraulte ihn wieder und küsste ihn auf die Stirn. »Und für euch bin ich natürlich auch da«, sagte sie zu Billy, Buffalo und Cloud. Keine Angst, der Indianer versorgt euch, solange ich weg bin.«
    Betty-Sue saß bereits in Decken gepackt auf der Ladefläche, als Clarissa zum Schlitten zurückkehrte. Auch mit dem Leithund des Doktors wechselte sie einige Worte. Sie wusste, dass er Buster hieß und die Angewohnheit hatte, immer langsamer zu werden, wenn man ihn nicht antrieb. »Hallo, Buster!«, begrüßte sie ihn. »Wir werden schon miteinander auskommen, was meinst du? Du bist die Runde doch sicher schon öfter gelaufen, oder? Also, keine Angst! Wenn das Wetter hält, wird schon alles glattgehen. Bist du bereit?«
    Buster blickte sie aus seinen blauen Augen an und gab ihr mit einem leisen Jaulen zu verstehen, dass sie nichts zu befürchten hatte. Die Miene der Schwester ließ anderes vermuten. Sie saß etwas verkrampft auf der Ladefläche und klammerte sich mit beiden Händen an den Schlitten, als befürchtete sie, schon in der ersten Kurve in den Schnee zu stürzen. »Keine Angst!«, beruhigte Clarissa sie. »Der Trail nach Fox gehört zu den leichteren Strecken.«
    Am Ufer des schmalen Flusses, an dem ihre Hütte lag, fuhren sie nach Süden. Der Schnee war fest und griffig und wie geschaffen für die Huskys, die auf diesem Trail besonders guten Halt fanden. Clarissa tat sich etwas schwerer, musste sich erst an das etwas träge Gespann und vor allem an den altersschwachen Schlitten gewöhnen, der einen wenig stabilen Eindruck machte und in jeder Kurve ächzte und knarrte. Sie fuhren über den zugefrorenen Chena River nach Westen, bevor sie wieder nach Norden auf einen festgestampften Jagdtrail abbogen. Betty-Sue stieß einen leisen Schrei aus, als Clarissa den Schlitten mit lautem »Vorwärts!« über die steile Uferböschung trieb.
    Oberhalb des Ufers legten sie eine kurze Rast ein, auch wegen der Hunde, die lange nicht so gut trainiert waren wie ihr eigenes Gespann. Sie kramte die Feldflasche mit dem heißen Tee aus dem Proviantbeutel, nahm einen Schluck und reichte sie Betty-Sue. Die Sonne war bereits untergegangen, und geheimnisvolles Zwielicht lag über dem Land. Die Stille über dem vereisten Fluss und den Wäldern am Ufer war so intensiv, dass man sie zu hören glaubte. Die Kälte war erträglich, solange der Wind nicht wehte, er machte nur Betty-Sue zu schaffen, die ihren Schal bis über die Nase gezogen hatte und dennoch fror.
    »Wie kommen Sie in diesem Land nur zurecht?«, fragte Betty-Sue. »Wie kann man als Frau hier leben? In San Francisco haben sie die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, als sie erfuhren, dass ich nach Alaska gehe.«
    Die Frage hatte Clarissa schon öfter gehört. Viele Menschen glaubten, Alaska wäre so wild und gefährlich und so eiskalt, dass dort nur Indianer und einige Fallensteller leben konnten. Sogar die Politiker hatten es lange Zeit abgeschrieben, und Fairbanks war nur entstanden, weil die Gier nach Gold so groß war, dass selbst Männer von der Ostküste in die Wildnis kamen. »Alaska ist nicht so menschenfeindlich, wie Sie vielleicht denken«, sagte sie. »Wenn Sie sich erst einmal an die Kälte gewöhnt haben, und das geht schnell, glauben Sie mir, werden Sie auch die Schönheit dieses Landes schätzen lernen.« Sie blickte über den Chena River und die Wälder hinweg. »Sehen Sie sich doch
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