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Die Nacht der Wölfe

Die Nacht der Wölfe

Titel: Die Nacht der Wölfe
Autoren: Christopher Ross
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können wir uns das Rennen sparen.« Sie scheuchte ihn davon. Buffalo, Billy, Cloud, das gilt auch für euch. Ihr seid keine Welpen mehr!«
    Der Vernunft von Emmett war es zu verdanken, dass sich ihre Huskys zurückhielten und widerspruchslos an die Ketten legen ließen. Sie kraulte ihren Leithund dankbar zwischen den Ohren und ging zur Tür. Der Indianer stand neben den Schlitten und nickte, als sie an ihm vorbeiging. Sie wusste, dass er sich ungern in geschlossenen Räumen aufhielt, und verzichtete darauf, ihn in die Hütte zu bitten. »Ich bringe dir Tee«, versprach sie. »Mit viel Zucker.«
    Im Haus warteten Doc Boone und eine junge Frau. Der Arzt, ein weißhaariger Mann in den Fünfzigern, stand mit gerötetem Gesicht vor dem Ofen und hielt beide Hände über die Platte. Anscheinend hatte er Holz nachgelegt. Die junge Frau saß mit gefalteten Händen am Tisch und blickte betreten zu Boden. »Ah, Mrs Carmack!«, grüßte der Doktor. »Entschuldigen Sie, dass wir Sie auf diese Weise überfallen, aber die Sache ist sehr dringend, und ich bin auf Ihre Hilfe angewiesen.« Er begleitete seine Worte mit einem Lächeln und deutete auf die junge Frau. »Das ist Schwester Betty-Sue, meine neue Krankenschwester. Sie haben sicher gehört, dass ich ein Krankenhaus in Fairbanks eröffnet habe. Nichts Besonderes, nur ein paar Betten, aber …« Er suchte nach den passenden Worten. »Aber wir haben sehr viel zu tun, Mrs Carmack, und das ist auch der Grund, warum ich heute Nachmittag bei Ihnen auftauche.«
    Clarissa zog ihren Anorak, die Pelzmütze und ihre Handschuhe aus und blickte ihn fragend an. Sie legte die Sachen über einen Stuhl. »Sie wollen, dass ich bei Ihnen im Krankenhaus aushelfe? Aber ich habe nicht die nötige Ausbildung, Doc Boone, und ich kann hier auch nicht weg. Die Hunde …«
    »Nein, darum geht es nicht«, unterbrach sie der Doktor. »Wie Sie vielleicht wissen, bin ich mit meiner Praxis auch für die kleinen Siedlungen in den Bergen zuständig, und mit der Regierung habe ich vereinbart, meine medizinischen Dienste in den Indianerdörfern unseres Bezirks anzubieten. Alle paar Wochen muss ich die Runde drehen. Bisher bin ich immer selbst gefahren, aber seitdem Gold gefunden wurde, wächst die Stadt, und ich kann mich vor Patienten kaum noch retten, deshalb habe ich eine Krankenschwester aus den Staaten kommen lassen.« Er blickte die junge Frau an, ein wenig zweifelnd, wie Clarissa zu erkennen glaubte. »Leider kann Schwester Betty-Sue keinen Hundeschlitten fahren, deshalb wollte ich …« Er schien nicht zu wissen, wie er die Frage am besten formulieren sollte. »Nun, eigentlich wollte ich einen Indianer bitten, ihren Schlitten zu steuern, aber die Schwester hatte bisher nie mit Indianern zu tun, und da dachte ich … Könnten Sie den Schlitten auf ihrer ersten Tour steuern?« Er sah, dass sie zögerte, und fügte schnell hinzu: »Nur auf der ersten Tour. Schwester Betty-Sue würde sich sehr freuen, eine erfahrene Frau als Begleiterin zu haben, und da Sie sich in dieser Gegend auskennen und eine erfahrene Musherin sind, dachte ich … Ich zahle Ihnen einen Wochenlohn!«
    Clarissa war nicht gerade erpicht darauf, mit einer verwöhnten jungen Frau, die wahrscheinlich noch nie in der Wildnis gewesen war, durch die Wälder zu fahren, und auch der mögliche Verdienst lockte sie wenig, doch eine solche Tour war vielleicht besser, als zu Hause herumzusitzen und nervös auf die Rückkehr ihres Mannes zu warten. »Wann sollen wir losfahren?«
    »Dann wären Sie einverstanden?« Die Miene des Doktors hellte sich auf. »Am besten gleich … Wir sind nämlich schon überfällig, und wenn ich meinen Bericht zu spät an die Regierung schicke, handele ich mir eine Menge Ärger ein. Wenn Sie innerhalb der nächsten Stunde aufbrechen, sind Sie am frühen Abend in Fox und können morgen und übermorgen die Dörfer nördlich des Chena Rivers abfahren. Einen Beutel mit Proviant hat Schwester Betty-Sue dabei, auch Tee und Wasser, und für einen Schlafplatz ist überall gesorgt. Nach Ihren Huskys würde Jimmy sehen. Einverstanden, Ma’am?«
    »Und wenn nicht?«
    »Dann müssten die armen Goldgräber und Indianer in den entlegenen Dörfern leider auf medizinische Hilfe verzichten. Aber ich verlasse mich auf Sie, Ma’am. Ich kenne Sie nicht näher, aber so ziemlich jeder, den ich gefragt habe, hat Sie empfohlen. Sie wären die einzige Frau, die es schaffen würde.«
    Clarissa fühlte sich geschmeichelt, zeigte es aber nicht.
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