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Die Nacht der Wölfe

Die Nacht der Wölfe

Titel: Die Nacht der Wölfe
Autoren: Christopher Ross
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Bett.
    Früh am nächsten Morgen wurde Clarissa durch das Geheul ihrer Huskys geweckt. Sie schreckte hoch, lief barfuß ins Wohnzimmer und blickte aus dem Fenster. Im Dezember ging die Sonne erst nach zehn Uhr morgens auf, aber die Einheimischen erkannten an der Farbe des Himmels, wie spät es ungefähr war, und an diesem Morgen war bereits ein heller Streifen am östlichen Horizont zu erkennen.
    »Das fängt ja gut an«, erschrak sie. Sie zündete die Petroleumlampe auf dem Tisch an, wusch sich in der Schüssel auf der Kommode und zog sich in Windeseile an, ihre »Winterkleidung«, wie sie die Wollhosen und den Pullover nannte, nicht gerade die Kleidung einer Lady, aber praktisch, wenn man einen Schlitten steuerte oder mit den Hunden im Schnee herumtollte. Ihr dunkelblauer Anorak mit der pelzbesetzten Kapuze hing ihr ein wenig locker um die Schultern, nachdem sie während der letzten Wochen etwas abgenommen hatte. Sie hatte Alex beim Auslegen der Fallen und beim Holzfällen geholfen und war jeden Abend todmüde ins Bett gefallen. Ihre Haare band sie zu einem Knoten und stülpte ihre Pelzmütze darüber.
    »Ich weiß, ich bin spät dran«, entschuldigte sie sich bei Emmett und den anderen Huskys, als sie mit dem Futter nach draußen trat. »Ihr seid mir doch nicht böse? Ich hab verschlafen.« Sie stapfte an der Hüttenwand entlang zu den Hunden, die bereits ungeduldig warteten. »Dafür gibt’s heute auch was ganz Besonderes: leckeren Lachseintopf. Hey … nicht so stürmisch, Emmett! Du wirfst mich ja um!«
    Wie jeder Leithund, auch wenn er Smoky noch nicht offiziell abgelöst hatte, bekam Emmett sein Futter zuerst. Clarissa schüttete ihm besonders viel von dem Lachseintopf in seine Schüssel und verdünnte ihn mit etwas Wasser aus dem Eimer, den sie ebenfalls nach draußen gebracht hatte. Ihre Huskys fraßen nur einmal am Tag, dann aber ausgiebig, und mussten vor allem genügend Flüssigkeit aufnehmen. Nach mehreren Jahren in der Wildnis kannte sich Clarissa mit Huskys aus. Sie kraulte Emmett zwischen den Ohren und sagte ihm mehrmals, was für ein toller Bursche er war, bevor sie zu den anderen Hunden ging und auch sie mit Futter versorgte.
    »Wenn wir das Alaska Frontier Race gewinnen wollen, müssen wir langsam anfangen zu trainieren«, sagte sie zu Emmett. »Glaub ja nicht, dass du den ganzen Winter vor der Hütte faulenzen kannst.« Sie gab ihm einen Nachschlag. »Wie wär’s, wenn wir heute was für unsere Ausdauer tun? Solange Alex mit dem Schlitten unterwegs ist, könnten wir durch den Tiefschnee tollen.« Sie sah das Aufleuchten seiner Augen und die Enttäuschung bei den anderen Hunden, die deutlich zu spüren schienen, wenn man sie links liegen ließ. »Okay, okay, ihr dürft alle mit! Aber beklagt euch nicht, wenn Emmett und ich schneller sind. In einer halben Stunde brechen wir auf, abgemacht?«
    Clarissa ging ins Haus zurück und nützte die Zeit, um ihren Lee-Enfield-Revolver zu überprüfen und neue Patronen ins Magazin zu füllen. Sie mochte keine Waffen und berührte den kalten Stahl nur mit Widerwillen, lebte aber lange genug in der Wildnis, um zu wissen, dass man dort ohne Waffe nicht auskam. Alex hatte ihr beigebracht, mit dem Gewehr und dem Revolver zu schießen, und vor ein paar Wochen hatte sie sogar ein Zielschießen gegen Alex und zwei andere Fallensteller gewonnen.
    Auf einen Menschen würde sie niemals schießen, das war ihr längst klar geworden, es sei denn, ein Verbrecher wie Frank Whittler ginge mit einer Waffe auf sie los, aber außer ihm und seinen Kumpanen streunte noch ein gefährlicher Grizzly durch die Gegend, und vor allem brauchte sie die Waffe zum Schutz gegen aufgebrachte Elche, die sich gern mit Huskys anlegten und ihnen sehr gefährlich werden konnten.
    Sie verstaute die Waffe in ihrer Anoraktasche, warf ein paar Holzscheite in den Ofen, damit er noch glühte, wenn sie von ihrem Ausflug zurückkehrte, und schnallte sich einen Rucksack mit etwas Proviant und einer Wasserflasche mit heißem Tee auf den Rücken. Ihre Schneeschuhe, durch eine Rohhautschnur miteinander verbunden, hängte sie über die Schultern. Die tellerartigen Schuhe mit den gekreuzten Lederriemen hatte sie selbst angefertigt.
    Die Huskys zerrten bereits ungeduldig an ihren Ketten, als sie zu ihnen kam. »So, meine Lieben, jetzt kann es endlich losgehen!« Sie befreite die Hunde von ihren Fesseln und wurde beinahe von dem ungestümen Buffalo über den Haufen gerannt, der es gar nicht erwarten konnte und
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