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Die Mutter des Erfolgs - Die Mutter des Erfolgs

Titel: Die Mutter des Erfolgs - Die Mutter des Erfolgs
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eine ganze weitere Stunde. Auf dem Heimweg, als ich sagte, wie viel besser mir ihre Rückhand jetzt vorkomme, antwortete sie: « Nein , das ist noch nicht gut. Noch ist sie furchtbar. Kriegen wir morgen einen Platz?»
    Sie ist so getrieben, dachte ich, so … intensiv.
    Ich redete mit ihrer Tennislehrerin. «Ausgeschlossen, dass Lulu jemals richtig gut wird, oder? Ich meine, sie ist dreizehn – das ist doch bestimmt zehn Jahre zu spät.» Ich hatte von leistungsstarken Tennisakademien gehört, die jetzt überall aus dem Boden schossen, und von Vierjährigen mit Privattrainern. «Außerdem ist sie so klein, genau wie ich.»
    «Das Wichtigste ist, dass Lulu Tennis liebt», sagte die Lehrerin, sehr amerikanisch. «Und sie hat eine unglaubliche Arbeitsmoral – ich habe nie jemanden so schnelle Fortschritte machen sehen. Sie ist ein großartiges Mädchen. Sie und Ihr Mann haben da wirklich ganze Arbeit geleistet. Nie gibt sie sich mit weniger als hundertzehn Prozent zufrieden. Und sie ist immer so fröhlich und höflich.»
    «Sie scherzen wohl», sagte ich. Aber wider Willen hob sich meine Stimmung. Konnte es sein, dass der chinesische Circulus virtuosus eingesetzt hatte? Hatte ich vielleicht die falsche Aktivität für Lulu gewählt? Tennis war doch sehr respektabel – ganz anders als beispielsweise Bowling. Michael Chang war Tennisprofi gewesen.
    Ich kam wieder in Fahrt. Ich machte mich mit den Regeln und Modalitäten des US-Tennisverbands und dem System der landesweiten Ranglisten vertraut. Ich informierte mich über Trainer und begann nach den besten Tenniscamps in der Gegend herumzutelefonieren.
    Eines Tages bekam Lulu eins dieser Gespräche mit. «Was machst du?», wollte sie wissen. Als ich erklärte, ich stellte nur ein paar Erkundigungen an, explodierte sie augenblicklich. «Nein, Mama – nein! », rief sie ungestüm. «Mach mir das Tennis nicht kaputt, wie du mir die Geige kaputtgemacht hast.»
    Das saß tief. Ich gab klein bei.
    Am nächsten Tag versuchte ich es noch einmal. «Lulu, da gibt es ein Camp in Massachusetts …»
    «Nein, Mama – bitte hör auf», sagte Lulu. «Ich kann das allein. Ich will nicht, dass du dich einmischst.»
    «Lulu, was wir jetzt tun müssen, ist, deine Kraft zielgerichtet …»
    «Mama, ich hab’s kapiert . Ich hab dich beobachtet und eine Million Mal deine Vorträge gehört. Aber ich will nicht, dass du mein Leben kontrollierst.»
    Ich drehte mich zu ihr und betrachtete meine Tochter. Alle hatten immer gesagt, dass sie genauso aussieht wie ich, was ich mit Freuden hörte, sie aber vehement bestritt. Ich musste daran denken, wie sie im Alter von drei trotzig draußen in der Kälte gestanden hatte. Sie ist unbeugsam, dachteich, das war sie immer. Egal, wo sie letztlich landet, sie wird Erstaunliches leisten.
    «Okay, Lulu, das akzeptiere ich», sagte ich. «Siehst du, wie unaggressiv und flexibel ich bin? Um in der Welt Erfolg zu haben, musst du dich immer anpassen können. Darin bin ich besonders gut, und das kannst du von mir lernen.»
    Aber ich habe nicht vollständig aufgegeben. Noch bin ich nicht geschlagen, allerdings musste ich signifikante Änderungen an meiner Strategie vornehmen. Neuerdings bin ich geduldig und aufgeschlossen. Vor kurzem teilte Lulu mir mit, sie lege die Geige jetzt auf Eis, denn sie wolle anderen Interessen nachgehen wie Schreiben, Stimme und «Impro». Statt Erstickungsanfälle zu bekommen, war ich interessiert und verständnisvoll. Ich denke langfristig. Tatsächlich ist Lulu eine urkomische Imitatorin, und Improvisationskomik ist zwar etwas völlig Unchinesisches und das Gegenteil von klassischer Musik, aber sie ist doch eindeutig eine Fähigkeit. Auch hege ich die Hoffnung, dass die Stimmbildung Lulus Liebe zur Musik wiedererweckt und sie eines Tages – vielleicht schon bald – aus eigenem Antrieb zur Geige zurückkehrt.
    Inzwischen fahre ich Lulu jedes Wochenende zu Tennisturnieren und sehe ihr beim Spielen zu. Sie hat es jüngst als Einzige aus der Mittelstufe in die Sportmannschaft der Oberstufe geschafft. Weil sie sich jeden Rat und jede Kritik von mir verbeten hat, greife ich auf Spionage und Guerillatechniken zurück. Heimlich pflanze ich ihrer Tennislehrerin Ideen ein, schicke ihr telefonisch Fragen und Übungsstrategien und lösche die Nachrichten gleich wieder, damit Lulu sie nicht zufällig zu sehen bekommt. Manchmal, wenn Lulu am wenigsten damit rechnet – beim Frühstück oder beim Gutenachtsagen –, schreie ich plötzlich los:
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