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Die Mutter des Erfolgs - Die Mutter des Erfolgs

Titel: Die Mutter des Erfolgs - Die Mutter des Erfolgs
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Saint-Saëns konnte ich nicht genießen, obwohl ihn Sophia herausragend spielte. Dieses Stück ist als reinste virtuose Unterhaltung gedacht, und ich war zu verkrampft, um mich unterhalten zu lassen. Würde Sophia ihre Läufe sauber und perlend hinbekommen? Hatte sie zu viel geübt, würden ihre Hände sie im Stich lassen? Ich musste mich förmlich zwingen,mich nicht mechanisch vor und zurück zu wiegen und zu summen, was ich normalerweise tue, wenn die Mädchen ein schwieriges Stück spielen. Aber als Sophia bei ihrem letzten Programmpunkt angelangt war, Chopins «Fantaisie-Impromptu», wurde plötzlich alles anders. Die Spannung verflog, die Erstarrung wich, und ich konnte nur eins denken: Sie beherrscht dieses Stück. Als sie aufstand und sich mit strahlendem Lächeln abermals verbeugte, dachte ich: Das ist mein Mädchen – sie ist glücklich; die Musik macht sie glücklich. In dem Moment wusste ich, dass es sich gelohnt hatte.
    Sie erhielt drei Ovationen, und anschließend überschlugen sich die Richter – von denen ich viele seit Jahren zutiefst verehre – in Lobpreisungen Sophias.
    Einer sagte, Sophias Spiel sei grandios, und er hätte ihr die ganze Nacht zuhören können. Ein anderer meinte, sie müsse unbedingt eine berufliche Karriere als Pianistin anstreben, es wäre doch ein Verbrechen, ihr Talent zu vergeuden. Und überraschend viele Richter, die selbst Eltern sind, stellten mir persönliche Fragen wie: «Was ist Ihr Geheimnis? Meinen Sie, es liegt an der asiatischen Familienkultur, dass sie so viele Ausnahmemusiker hervorbringt?» Und: «Sagen Sie mir eins: Übt Sophia aus eigenem Antrieb, weil sie die Musik liebt, oder müssen Sie sie zwingen? Bei meinen Kindern ist es mir nie gelungen, sie zu mehr als fünfzehn Minuten Üben anzuhalten.» Und: «Was ist mit Ihrer anderen Tochter? Wie ich höre, ist sie eine brillante Geigerin. Werden wir sie das nächste Mal hören?»
    Darauf antwortete ich, dass ich gerade mit den letzten Seiten eines Buches kämpfte, das sich mit genau diesen Fragen befasse, und wenn es erschienen sei, würde ich ihnen ein Exemplar schicken.
    Etwa um dieselbe Zeit, als Sophia vor den Richtern auftrat, holte ich Lulu eine Stunde entfernt von irgendeinem gottverlassenen Tennisplatz in Connecticut ab.
    «Stell dir vor, Mama – ich hab gewonnen!»
    «Was gewonnen?», fragte ich.
    «Das Turnier», sagte Lulu.
    «Was heißt das?»
    «Ich habe drei Spiele gewonnen, und in der Endrunde habe ich die Erstplazierte geschlagen. Sie stand auf Platz sechzig in New England. Ich kann nicht glauben, dass ich sie tatsächlich besiegt habe!»
    Ich war sprachlos. Als Teenager hatte ich selbst Tennis gespielt, aber immer nur zum Spaß mit Familienmitgliedern oder Schulfreunden. Als Erwachsene hatte ich es mit ein paar Turnieren probiert, aber rasch festgestellt, dass ich dem Konkurrenzdruck nicht gewachsen war. Jed und ich hatten Sophia und Lulu Tennisstunden nehmen lassen, hatten aber nie irgendwelche Hoffnungen damit verbunden – es ging uns hauptsächlich darum, eine gemeinsame Aktivität zu haben.
    «Spielst du immer noch auf Anfängerniveau?», fragte ich Lulu. «Dem untersten?»
    «Ja», antwortete sie liebenswürdig. Seitdem sie tun durfte, was sie wollte, kamen wir viel besser miteinander aus. Es war, als erblühte sie zwischen den Trümmern meiner Niederlage, sie war jetzt geduldiger und viel besser gelaunt. «Aber ich versuch’s bald mit der nächsten Stufe. Zwar werde ich sicher verlieren, aber ich möchte es nur so zum Spaß probieren.»
    Und dann sagte sie aus heiterem Himmel: «Das Orchester fehlt mir.»
    Im Lauf der nächsten sechs Wochen gewann Lulu dreiweitere Turniere. Bei den letzten beiden sah ich zu. Ich war verblüfft und beeindruckt, was für ein Energiebündel sie auf dem Platz war: wie wild sie zuschlug, wie konzentriert sie war, wie sie sich niemals unterkriegen ließ.
    Je höher Lulu stieg, desto härter wurde die Konkurrenz. Bei einem Turnier verlor sie gegen ein Mädchen, das doppelt so groß war wie sie. Als Lulu vom Platz ging, lächelte sie charmant, aber kaum saß sie im Auto, sagte sie: «Nächstes Mal besiege ich sie. Noch bin ich nicht gut genug – aber bald.» Dann fragte sie, ob sie Extrastunden haben könne.
    Im Unterricht sah ich Lulu mit einer Konzentration und einer Zähigkeit, wie ich sie bei ihr nie erlebt hatte, ihre Rückhand trainieren. Danach fragte sie mich, ob ich ihr übungshalber noch eine Zeitlang Bälle zuwerfen würde; so trainierte sie noch
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