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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme
Autoren: John Barnes
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gar nicht in Ihr Ressort – aber wir benötigen
auch die Klimamodelle der Computer. Das wäre im Grunde Sache der
alten Prognose-Abteilung, aber da wir keine mehr haben, muß es
von jemandem erledigt werden, der über eine Menge Erfahrung
verfügt und mir die Fakten auf den Tisch legt.«
    Di fragt sich, was er mit den Schmeicheleien wohl bezwecken
will.
    »Gut, kommen wir zur Sache.« Henry unterrichtet ihn
knapp vom Kollaps der Methan-Betten und dem aus dem Arktischen Ozean
diffundierenden Methan. »In der Nähe einiger Risse im Eis
ist die Konzentration so hoch, daß schon einige Robben erstickt
sind, und als Präventivmaßnahme versuchen die UN, das Gas
abzufackeln, sofern es über die entsprechende Dichte
verfügt – aber das ist nicht einmal ein Tropfen auf einen
heißen Stein, weil das Methan überwiegend aus Haarrissen
und Löchern austritt und sich nicht nur an einem Punkt
konzentriert. Dennoch haben die UN-Satelliten etwa hundert Gaswolken
geortet, die abgefackelt werden können, und zu diesem Zweck
setzen sie Globale Startkontroll-Laser ein, wodurch das Problem um
zirka zwei bis drei Prozent reduziert wird.
    Was nicht viel ist. Wir haben nämlich mindestens
hundertfünfzig oder gar zweihundert Milliarden Tonnen Methan in
die Luft geblasen. Wir werden, zumindest kurzfristig, das
Zwanzigfache der normalen Konzentration haben. Sie wissen ja, wie die
Kacke am Dampfen war, als das letzte Fünfjahres-Kommunique zur
Globalen Erwärmung veröffentlicht wurde. Man hat eine
Heidenangst vor… nun, Sie wissen schon.«
    Di ist fast amüsiert. Als höherer Beamter der
Behörde, der offiziell für den Globalen Aufstand zur
Verantwortung gezogen wurde – die größte Schlappe,
seit das Replikator-Experiment der NASA fast die Mondbasis vernichtet
hatte –, bringt der arme alte Henry es nicht über sich, das
Wort auszusprechen.
     
    Das Problem von XV ist seine perfekte virtuelle Realität. Als
die Prognosen bezüglich der Mißernte in Pakistan
andauerten und in Islamabad die Hölle losbrach, genossen binnen
einer halben Stunde viele XV-Freaks in Tokio, Mombasa, Fez, Lima,
Ciudad de Mexico und Honolulu den gleichen Adrenalinschub und
Nervenkitzel. In Seattle hatte sich eine Gruppe Deepers, kurz
vor dem Beginn einer ihrer ›Aktionen‹, in den
Pakistan-Schauplatz eingeloggt, wobei sie versuchten, auf gewaltfreie
Art eine Geburtsklinik zu schließen, aber bei dem erhöhten
Hormonpegel ließ dieser Vorsatz sich nicht verwirklichen –
möglicherweise war es aber auch so, daß der erzkatholische
Kommandeur der Nationalgarde, wie die Deepers später
behaupteten, den Truppen befahl, in die Menge zu schießen.
    Wie dem auch sei, zwei XV-Reporter gerieten zwischen die Fronten,
ein Mann und eine Frau, die sonst für den Newsporn- Kanalarbeiteten, und als sie mit einem
Lungensteckschuß in seinen Armen starb, klebten eine halbe
Milliarde Zuschauer an den Geräten und hörten jeden
Schluchzer und jedes Keuchen, rochen das Blut und spürten den
Schmerz der Schußverletzung…
    Das Blut gerät in Wallung und das Tanzbein wird geschwungen,
wie es im Tanz-Kanal heißt, und plötzlich füllten
sich weltweit alle Straßen, Schaufenster klirrten, Polizisten
schossen, Brände loderten auf, und die Feuerwehrmänner
konnten nicht an die Hydranten gelangen. Und überall traten
weitere XV-Reporter auf den Plan, um über die zusätzlichen
spannenden Ereignisse zu berichten, weitere Randalierer vermummten
sich, um an den andernorts stattfindenden Unruhen teilzuhaben,
während sie simultan ihre eigene Randale veranstalteten.
    Die UNIC kann zwar eine Gruppe oder Regierung neutralisieren, auch
noch ein aus einigen Dutzend Gruppen bestehendes Konsortium, aber
eine Kontrolle von mehreren Billionen Parallelverbindungen, von denen
bereits eine als Datenleitung für vier Millionen XV-Reporter und
zwanzigtausend XV-Kanäle dient, wobei die Sprungfrequenz dieser
Daten zwischen den einzelnen Verknüpfungen mehrere Kilohertz
beträgt, ist absolut illusorisch. UNIC kann nicht mehr tun, als
sporadische Interferenzen zu generieren, die aber so minimal sind,
daß sie nicht einmal auffallen. Bilder, die normalerweise
überhaupt nicht veröffentlicht worden wären, drangen
über die Kanäle selbst zu den isoliertesten Sozietäten
vor.
    Ed Porter und die anderen XV-Redakteure erlebten eine Sternstunde.
Wer XV einschaltete, fand sich auf einem Bürgersteig in London
wieder und sah ein Geschäft brennen, woraufhin er mitverfolgte,
wie in Montevideo der Pöbel
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