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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter
Autoren: Petra Hammesfahr
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assistierte Jürgen bei Untersuchungen und unterstützte Sandra Erken, unsere Laborkraft, die nur halbtags kam, bei der Arbeit. Das meiste in diesem Bereich wird zwar eingeschickt, aber ein wenig fällt immer an. Schwangerschaftstests, mikroskopische Untersuchungen auf Pilzbefall und dergleichen, so etwas macht man in der Praxis.
    Wir nahmen Jürgens BMW an dem Montagmorgen. Morgens fuhren wir immer gemeinsam, am Nachmittag getrennt. Jürgen hatte oft abends noch mit Papierkram zu tun. Er fand, wenigstens ich sollte pünktlich Feierabend machen können.
    Über Mittag fuhren wir heim, saßen um zwei gemeinsam am Tisch. Rena schlang ihr Essen schneller hinunter als sonst. Sie hatte noch etwas Wichtiges für die Schule zu erledigen. Anne sollte ihr dabei helfen. Anschließend musste Rena dringend zum Reitstall, Bella einreiten. Jürgen schmunzelte über den Ausdruck. «Eingeritten dürfte sie aber sein.»
    Rena war bereits auf dem Weg nach oben, erklärte über die Schulter: «Das schon. Aber wir müssen uns doch aneinander gewöhnen.»
    «Das hört sich anders an», sagte Jürgen.
    Pünktlich um drei waren wir wieder in der Praxis. Zu dem Zeitpunkt saß Rena wohl im Sattel. Es war nicht viel zu tun an dem Nachmittag. Ich kam kurz nach fünf heim. Am Morgen war es noch sonnig gewesen. Der Spätnachmittag hatte den Garten in ein Schattenspiel verwandelt. Es war kühl und windig.
    Anne saß mit ein paar Büchern im Wintergarten, ich setzte mich für eine Weile zu ihr. Wenig später kam auch Jürgen, inspizierte zum wiederholten Mal die Stallungen und überschlug im Kopf, wie teuer die Instandsetzung werden könnte. Vater war im Garten beschäftigt, Mutter in der Küche.
    Der Dienstag und der Mittwoch waren nicht anders. Nur das Wetter verschlechterte sich. Ein atlantischer Tiefausläufer, hieß es im Fernsehen. Für den Donnerstag wurde ein Sturm angekündigt mit weiteren heftigen Regenfällen.
    Rena verbrachte die meiste Zeit im Reitstall. Wir haben sie nicht oft zu Gesicht bekommen, das weiß ich. Aber eine Sechzehnjährige führt man nicht mehr an der Hand wie ein Kleinkind. Und im Gegensatz zu vielen anderen Eltern wussten wir zu jeder Minute, was unsere Kinder taten und wo sie sich aufhielten. Anne daheim oder bei Patrick, Rena bei den Pferden.
    Hennessens Reitstall liegt in westlicher Richtung etwa dreihundert Meter hinter den letzten Häusern am Ortsrand. Durchs Dorf sind es vier Kilometer. Die Straße verläuft wie ein großer runder Bogen über einer geraden Linie. Die gerade Linie ist ein Feldweg neben dem alten Bahndamm, der von unserem Hof direkt zu Hennessen führt. Der Weg ist für den normalen Straßenverkehr gesperrt. Es ist auch nicht ratsam, ihn mit einem Pkw zu befahren.
    Er ist nicht befestigt, wird von Traktoren benutzt und ist in entsprechendem Zustand. Die Fahrspuren sind mindestens dreißigZentimeter tief. Zwei breite Rinnen, in denen nach starken Regenfällen das Wasser noch tagelang steht. Mit einem Fahrrad ist es kein Problem, wenn man sich auf der Seite hält, die an die Äcker grenzt.
    Rena fuhr immer mit dem Rad. Nur wenn es stark regnete, ließ sie sich mittags von mir oder von Vater mit dem Wagen zum Reitstall bringen. Oder sie rief am Abend an und wollte abgeholt werden. Am Dienstag und Mittwoch hatte sie das getan. Einmal war ich gefahren, einmal Vater.
     
    Am Donnerstagmorgen hatte sich der Wind gelegt, es nieselte nur noch. Anne wollte trotzdem den Schulbus nehmen. Sie berief sich auf den angekündigten Sturm. «Ich habe keine Lust, mit dem Rad in ein Unwetter zu geraten.»
    Rena nörgelte: «Dann sind wir erst Viertel nach zwei zu Hause. Und von der Bushaltestelle bis hier werden wir auch klitschnass.»
    Anne blieb hart, und allein mit dem Rad fahren mochte Rena nicht. Sie schloss sich Anne an.
    Im Laufe des Vormittags bewies der Wetterbericht seine Glaubwürdigkeit. Schon um zehn sah der Himmel aus wie mit Teer überzogen und die Schlieren wirbelten tüchtig durcheinander. Jürgen hatte um halb zwölf einen Termin bei der Bank. Im Hinausgehen sagte er: «Da kommt ja mächtig was runter.»
    Er fragte nach einem Regenschirm. Jasmin – sie saß an der Anmeldung, bediente das Telefon, machte Termine aus und so weiter – hatte einen Schirm dabei. Jürgen wollte ihn sich ausleihen, um auf dem kurzen Weg zum Wagen nicht tropfnass zu werden. Aber es war unmöglich, einen Schirm aufzuspannen.
    Es saßen noch zwei Patientinnen im Wartezimmer, als Jürgen die Praxis verließ. Eine ältere
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