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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter
Autoren: Petra Hammesfahr
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Wir standen auf dem Hof und schauten ihr nach.
    Mutter sagte: «Ich bekomme eine Gänsehaut, wenn ich das sehe, so ein großes Tier.»
    Vater erkundigte sich bei Jürgen: «Was hast du bezahlt?»
    «Noch nichts», sagte Jürgen. «Wir wollten erst sehen, ob es funktioniert und sie sich Mattho tatsächlich aus dem Kopf schlägt. Hennessen sagte, sie hatte mit Bella noch nie zu tun. Sie hat bisher immer die Fuchsstute geritten. Aber die wollte er nicht verkaufen. Sie ist trächtig.»
    Vater nickte verstehend. «Dann frage ich anders. Was soll Bella denn kosten?»
    «Fünf», sagte Jürgen. «Das ist ein akzeptabler Preis.»
    Über Mittag kam Rena nicht heim, wir hatten auch nicht mit ihr gerechnet. «Vor dem Kaffee sehen wir sie nicht wieder», meinte Jürgen.
    Um vier kam sie zurück, zu Fuß. Sie ging in ihr Zimmer, wusch sich, zog sich um und kam herunter. Mutter hatte sich viel Mühe gegeben mit der Kaffeetafel. Zwei frisch gebackene Torten und der Geburtstagskuchen mit den brennenden Kerzen. Rena blies die Kerzen aus, nahm ein Stück Kuchen auf ihren Teller und griff nach der Gabel.
    Bevor sie den ersten Bissen zum Mund führte, erklärte sie: «Bella ist nicht so schnell wie Mattho, aber sie springt gut. Er scheut manchmal vor den Hindernissen. Hennessen meint, es liegt am Alter, mit der Zeit wird er ruhiger und vernünftiger. Ich möchte wissen, wer ihn gekauft hat. Hennessen wollte achtzehntausend Mark für ihn haben, wusstet ihr das?»
    «Nein», sagte Jürgen.
    Bissen und Gabel schwebten noch in halber Höhe zwischen Teller und Renas Mund. «Was habt ihr denn für Bella bezahlt? Nicht so viel, oder?»
    Jürgen lachte. «Habe ich dich gefragt, was das Aftershave gekostet hat, das du mir zum Geburtstag geschenkt hast?»
    «Entschuldigung», murmelte Rena und führte endlich die Gabel zum Mund. Wenn sie morgens enttäuscht gewesen war, am Nachmittag hatte sie das bereits überwunden. Davon bin ich überzeugt und ihr Verhalten gibt mir Recht.
    Nach dem Kaffee holte sie ihr Fahrrad aus der Scheune und verschwand wieder. Zum Abendessen kam sie zehn Minuten zu spät. Sie wollte nach dem Essen noch einmal los; Bella gute Nacht sagen. Jürgen meinte, es reiche für den ersten Tag. Um zehn ging sie hinauf in ihr Zimmer.
    Montags saßen wir morgens um sieben zusammen am Frühstückstisch. Wir frühstückten immer gemeinsam, auch wenn Jürgen und ich dafür früher aufstehen mussten. Aber Jürgen hatte ohnehin eine innere Uhr, die ihn pünktlich um sechs aus dem Schlaf riss. Und mir war diese halbe Stunde Gemeinsamkeit bei Tagesbeginn sehr wichtig. Kinder brauchen das Gefühl von Wärme und Geborgenheit. Sie brauchen es auch noch mit sechzehn.
    Um halb acht bestiegen sie ihre Fahrräder. Sie fuhren meist mit den Rädern zur Schule. Auch im Winter. Bis zur Bushaltestelle im Dorf ist es mehr als einen Kilometer zu laufen. In der Zeit waren sie auf ihren Rädern schon fast am Ziel. Es sind über die Landstraße sieben Kilometer, durch die Felder nur vier. Sie nahmen immer den Feldweg, er war sicherer als die Straße mit ihren unübersichtlichen Kurven und Bäumen.
    Jürgen und ich verließen das Haus um halb neun. Nach dem Umzug hatte ich begonnen, mit ihm in der Praxis zu arbeiten. Ich habe Medizin studiert, allerdings nur bis zum ersten Staatsexamen. Kurz danach wurde ich mit Anne schwanger und brach mein Studium ab. Knapp zwei Jahre später wurde Rena geboren. Eswar mir wichtiger, für meine Kinder da zu sein, als meine Ausbildung zu beenden. Nur waren die Kinder inzwischen dem Alter entwachsen, in dem sie ständige Betreuung brauchten. Und um den Haushalt kümmerte sich Mutter. Sie hatte nie etwas anderes getan, als einen Haushalt zu führen. Das waren fünfundvierzig Jahre Erfahrung, damit konnte keine Tochter konkurrieren.
    Ich kam mir in den ersten Wochen auf dem Land ziemlich überflüssig vor. Und ausgerechnet zu dem Zeitpunkt verlor Jürgen eine langjährige Angestellte. Er war lange Jahre der einzige Gynäkologe in der Stadt gewesen. Nun hatte sich eine junge Ärztin niedergelassen, und unsere gute Frau Sehl zog es vor, ihre Brötchen fortan bei der Konkurrenz zu verdienen. Für Jürgen war es ein harter Schlag. Er brauchte dringend einen Ersatz. Vater machte den Vorschlag, dass ich für Frau Sehl einspringen könnte, statt nutzlos mit Mutter zu debattieren, ob die Fenster jede Woche oder nur alle vierzehn Tage geputzt werden mussten.
    Es hatte einiges für sich, und so hoch waren die Anforderungen nicht. Ich
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