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Die Musik des Zufalls

Die Musik des Zufalls

Titel: Die Musik des Zufalls
Autoren: Paul Auster
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abe r al s e r dan n hinter m Steue r saß , merkt e er , da ß sein e Hände zitterten . E r lie ß de n Moto r an , schaltet e Lic h t und Scheibenwische r ei n un d setzt e dan n langsa m rückwärt s au s der Parklücke. So lange war das doch gar nicht her, dachte er. Nur dreieinhalb Monate, aber trotzdem brauchte er eine Weile, bis er wieder ein wenig von dem alten Vergnügen empfand. Neben ih m au f de m Beifahrersit z hustet e Murks , hinte r ih m schwafelte Floy d vo n seine r Niederlag e bei m Billard , un d ers t al s Nashe da s Radi o anmachte , konnt e e r dies e Ablenkunge n ignorieren, konnt e e r vergessen , da ß e r nich t allei n wa r wi e i n al l den Monaten , i n den en er kreuz und quer durch Amerika gefahren war . E r wollt e da s nich t noc h einma l machen , merkt e er , abe r als e r di e Ortschaf t hinte r sic h gelasse n hatt e un d au f de r leeren Straß e beschleunige n konnte , fie l e s ih m schwer , nich t fü r ein Weilche n s o z u tu n al s ob , sic h nich t i n jen e Zei t zurückversetzt z u fühlen , di e de m eigentliche n Begin n seine r Lebensgeschichte vorausgegange n war . Die s wa r sein e einzig e Chance , un d er wollt e diese s Geschen k genießen , di e Erinnerun g a n den , de r er einma l gewese n war , sowei t w ie möglich auskosten. Der Schnee wirbelt e vo r ih m au f di e Windschutzscheibe , un d i n Gedanken sah er die Krähen über die Wiese sausen und hörte ihre geheimnisvolle n Schreie , wen n si e übe r ih n hinwegflogen . Die Wies e würd e sic h hübsc h ausnehme n unte r de m Sc h nee, dachte er , un d e r hoffte , e s mög e di e ganz e Nach t weiterschneien , damit er sie am Morgen so sehen könnte. Er stellte sich die gewaltige weiß e Fläch e vo r un d sa h de n Schne e imme r weite r fallen , bis auch die Steinhaufen bedeckt wären, bis alles unter e i ne r weißen Lawin e verschwunde n wäre.
    E r hatt e da s Radi o au f eine n Klassiksende r eingestellt , un d die Musi k wa r ih m vertraut , e s wa r ei n Stück , da s e r scho n oft gehör t hatte , da s Andant e eine s Streichquartett s au s dem achtzehnte n Jahrhundert . Abe r obwoh l N a she jede Passage auswendi g konnte , wollt e ih m de r Nam e de s Komponisten einfach nicht einfallen. Auf Mozart oder Haydn war die Auswah l schnel l reduziert , abe r dan n wußt e e r nich t mehr weiter. Einmal klang es wie das Werk des einen, und dann wiede r schie n e s fas t unvermittel t i n ei n Stüc k de s anderen überzugehen. Vielleicht war es eins der Streichquartette, die Mozart Haydn gewidmet hatte, dachte Nashe, aber es konnte auc h umgekehr t sein . Irgendwan n schie n di e Musi k de r beiden dann zu verschmelzen, und er ko n nt e si e nich t mehr auseinanderhalten . Dabe i hatt e Hayd n ei n hohe s Alte r erreicht, wa r mi t Aufträgen , Ämter n be i Hof e un d sämtliche n Vorteilen geehr t worden , di e di e damalig e Zei t z u biete n hatte , während Mozar t jun g un d ar m gestorbe n wa r un d ma n seine n Le i chnam i n ei n gewöhnliche s Gra b geworfe n hatte.
    Inzwische n fuh r Nash e mi t sechzi g Meilen ; e r fegt e die gewundene schmale Landstraße entlang und empfand sich vollkomme n al s Her r de r Lage . Di e Musi k hatt e Murk s und Floy d wei t i n de n Hintergrun d seine s Bewußtsein s gedrängt , und e r hört e nicht s andere s meh r al s di e vie r Streichinstrumente , die ihr e Kläng e i n de n dunkle n umschlossene n Rau m ergossen. Dann war er auf siebzig, und gleich darauf hörte er, wie Murks ihm durch einen Hustenanfall etwas zurief. «Du blöd e r Idiot», hört e Nash e ih n schreien . «D u fährs t z u schnell! » A n Stelle einer Antwort drückte Nashe aufs Gas, beschleunigte auf achtzig un d nah m di e Kurv e mi t leichte m un d sichere m Griff . Was wußt e Murk s scho n vo m Fahren ? dacht e er . Wa s wußt e Murks überhaup t vo n irgen d etwas?
    Gena u i n de m Augenblick , al s de r Wage n au f fünfundachtzig kam, beugte Murks sich vor und machte das Radio aus. Die plötzlich e Still e wirkt e au f Nash e wi e ei n jähe r Schock , und automatisch drehte er sich zu dem Alten um und sagte, er solle sic h u m sein e eigene n Angelegenheite n kümmern . Al s e r den Blick unmittelbar darauf wieder der Straße zuwandte, sah er den Scheinwerfer schon auf sich zukommen. Er schien aus dem Nichts aufzutauchen, ein Zyklopenstern, der genau auf seine Auge n zuschoß , u n d i n jähe r Pani k hatt e e r nu r noc h de n einen Gedanken , da ß die s als o sei
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