Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Musik des Zufalls

Die Musik des Zufalls

Titel: Die Musik des Zufalls
Autoren: Paul Auster
Vom Netzwerk:
in irgendeinem anderen Augenblick passiert, darf bezweifelt werden, daß Nashe auch nur den Mund aufgemacht hätte.Aber da er bereits aufgegeben hatte, da er sich einbildete, er habe nichts mehr zu verlieren, sah er in demFremden die Chance zu einer Atempause, die letzte Gelegenheit, etwas für sich zu tun, ehe es zu spät war.Und dann tat er es einfach. Ohne zu zucken, schloß Nashe die Augen und sprang.
    Da s Ganz e wa r ein e Frag e de s Ablaufs , de r Abfolg e der Ereignisse . Hätt e de r Anwal t nich t sech s Monat e gebraucht , um ih n ausfindi g z u machen , wär e e r a n de m Tag , a n de m e r Jack Pozz i traf , ni e unterweg s gewesen , un d dami t wär e auc h nichts vo n de m geschehen , wa s au f dies e Begegnun g folgte . Nashe fand es beunruhigend, so von seinem Leben z u denken, doch Tatsach e war , da ß sei n Vater , eine n Mona t bevo r Thérès e ihn verlasse n hatte , gestorbe n war , un d wen n e r etwa s vo n de m Geld geahnt hätte, das er erben sollte, hätte er sie wahrscheinlich zum Bleibe n überrede n können . Selbs t wen n si e nich t ge b lieben wäre , hätt e e r Juliett e nich t z u seine r Schweste r nac h Minnesota z u bringe n brauchen , un d da s allei n scho n würd e ih n davon abgehalte n haben , da s z u tun , wa s e r dan n geta n hatte . Aber damals hatte er noch seinen Job bei der Feuerwehr gehabt, und wi e hätte er sich um ein zweijähriges Kind kümmern sollen, wen n sein e Arbei t ih n z u alle n Tages - un d Nachtstunde n aus dem Haus rief? Wäre Geld dagewesen, hätte er sich eine Angestellt e in s Hau s geholt , u m Juliett e z u versorgen , doch wen n Gel d dagewese n wäre , h ätten sie gar nicht erst die untere Hälfte des trostlosen Zweifamilienhauses in Somerville gemietet gehabt , un d Thérès e wär e vielleich t ni e weggelaufen . Nich t daß seine Entlohnung so schlecht gewesen wäre, aber der Schlaganfall , de n sein e Mutte r vie r Jahr e zuvo r erlitte n hatte, hatt e ih n ruiniert , un d noc h imme r überwie s e r monatlich e Raten an das Pflegeheim in Florida, in dem sie gestorben war. In Anbetrach t al l desse n wa r da s Hau s seine r Schweste r offenbar die einzige Lösung. Dort würde wenigstens Juliette di e Chance haben, mit anderen Kindern in einer richtigen Familie zu leben un d einma l frisch e Luf t z u schöpfen , un d da s wa r beträchtlich vie l besse r al s alles , wa s e r selbs t ih r anzubiete n hatte . Dann hatte ihn plötzlich der Anwalt aufgespürt, und das Ge l d wa r ihm i n de n Scho ß gefallen . E s wa r ein e ungeheur e Summ e – knapp zweihunderttausend Dollar, ein für Nashe fast unvorstellbarer Betra g –, abe r d a wa r e s bereit s z u spä t gewesen . Zuvie l wa r in de n vergangene n fün f Monate n i n Gan g gekommen , un d nicht ein m a l da s Gel d konnt e de n Lau f de r Ding e jetz t noc h aufhalten.
    E r hatt e seine n Vate r übe r dreißi g Jahr e lan g nich t gesehen gehabt . Bei m letztenma l wa r e r zwe i gewesen , un d seitde m hatte e s keine n Kontak t meh r zwische n ihne n gegebe n – nich t einen einzige n Bri e f , nich t eine n einzige n Anruf , nichts . De m Anwalt zufolge, der die Erbschaft abwickelte, hatte Nashes Vater die letzten sechsundzwanzig Jahre seines Lebens in einer kleinen kalifornischen Wüstenstadt unweit von Palm Springs verbracht. E r hatt e eine n Eisen w arenladen betrieben, in seiner Freizeit an de r Börs e spekulier t un d nich t wiede r geheiratet . Seine Vergangenheit habe er für sich behalten, sagte der Anwalt, und ers t al s Nash e senio r eine s Tage s i n sei n Bür o gekomme n sei, u m ei n Testamen t aufzusetzen , hab e e r etwa s vo n Nachkommen erwähnt.
    «Er war tödlich an Krebs erkrankt», fuhr die Stimme am Telefon fort, «und er wußte nicht, wem sonst er das Geld hinterlasse n sollte . E r meinte , dan n könn e e r e s genausogut zwische n seine n beide n Kinder n aufteile n – di e H ä lft e fü r Sie un d di e ander e Hälft e fü r Donna.»
    «Eigenartige Wiedergutmachung», sagte Nashe.
    «Tja , eigenarti g wa r e r schon , Ih r Alte r Herr , ga r kein e Frage. Ic h werd e ni e vergessen , wa s e r sagte , al s ic h ih n nac h Ihnen und Ihrer Schwester fragte. ‹Wahrsche i nlic h hasse n si e mic h wie die Pest›, sagte er, ‹aber jetzt ist es zu spät, dem nachzuheulen. Ic h wär ’ nu r z u ger n dabei , nachde m ic h abgekratz t bi n – bloß u m ihr e Gesichte r z u sehen , wen n si e da s Gel d bekommen.›»
    «E s überrasch t mich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher