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Die Musik des Zufalls

Die Musik des Zufalls

Titel: Die Musik des Zufalls
Autoren: Paul Auster
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t beunruhigte , sonder n nu r erstaunte.
    Jede Nacht vor dem Schlafengehen schrieb er die Anzahl der Stein e auf , di e e r a n diese m Ta g de r Maue r hinzugefüg t hatte. Di e Zahle n selbs t bedeutete n ih m nichts , abe r nachde m di e Liste auf zehn oder zwölf Eintragungen angewachsen war, begann die pur e Anhäufun g al s solch e ih m Spa ß z u machen , un d er studiert e di e Ergebniss e mi t de m gleiche n Interesse , mi t de m er frühe r die Boxresultate in der Zeitung gelesen hatte. Anfangs hiel t e r da s fü r ei n rei n statistische s Vergnügen , abe r nac h einer Weil e spürt e er , da ß e r dami t irgendei n innere s Bedürfnis befriedigte , irgendeine n Drang , übe r sic h selbs t au f dem laufende n z u bleibe n un d sein e Positio n nich t au s de n Auge n zu verlieren. Anfang Dezember begann er darin ein Tagebuch, ein Logbuc h z u sehen , i n de m di e Zahle n fü r sein e intimsten Gedanke n standen.
    Abend s i m Wohnwage n hört e e r Die Hochzeit des Figaro. Bei besonder s schöne n Arie n stellt e e r sic h manchma l vor , daß Juliett e si e ih m vorsänge , da ß e s ihr e Stimm e sei , di e e r d a hörte.
    Di e kalt e Witterun g stört e ih n weniger , al s e r gedach t hatte. Selbs t a n de n eisigste n Tage n legt e e r binne n eine r Stund e nach Arbeitsbegin n di e Jack e ab , un d nachmittag s macht e e r dan n oft i n Hemdsärmel n weiter . Murk s stan d i n seine m schweren Mante l danebe n un d zittert e i m scharfe n Wind , abe r Nashe spürt e s o gu t wi e nicht s davon . Da s wa r ih m s o rätselhaft , da ß er sic h fragte , o b sei n Körpe r etw a i n Br an d gerate n sei.
    Eine s Tage s macht e Murk s de n Vorschlag , si e sollte n die Stein e vo n nu n a n mi t de m Jee p transportieren . Dami t könnten si e größer e Menge n befördern , sagt e er , un d de r Ba u de r Mauer käm e schnelle r voran . Abe r Nash e lehnt e ab . De r Lär m des Mot or s würd e ih n nu r ablenken , sagt e er . Un d außerde m se i er a n di e alt e Method e gewöhnt . Di e Langsamkei t de s Karrens , die langen Gänge über die Wiese, das komische leise Rumpeln der Räder , al l da s gefall e ihm . «Wen n etwa s nich t kaput t ist» , sagte er , «woz u e s dan n reparieren?»
    Irgendwann in der dritten Novemberwoche merkte Nashe, daß e s ih m möglic h wäre , z u seine m Geburtsta g a m dreizehnten Dezember wieder auf Null zu kommen. Das verlangte zwar einige kleine Änderungen in seinen Gewohnheiten (zum Beispiel müß t e e r etwa s wenige r für s Esse n ausgebe n un d auf Zeitunge n un d Zigarre n verzichten) , abe r di e Symmetri e dieses Plans sagte ihm zu, und er fand, daß der Versuch die Mühe wert wäre . Wen n alle s gutginge , würd e e r a n seinem vierunddreißigsten Geburtstag die Fre i hei t zurückgewinnen . Es wa r ei n gan z willkürliche s Ziel , abe r nachde m e r sic h einmal darau f verleg t hatte , merkt e er , da ß e s ih m half , sein e Gedanken z u ordne n un d sic h au f da s z u konzentrieren , wa s z u tu n war.
    Jeden Morgen ging er mit Murks seine Berechnu nge n durch, verglich, um etwaige Diskrepanzen auszuschließen, Soll und Habe n un d prüft e beid e Zahle n s o lange , bi s sie übereinstimmten. Am Abend des zwölften wußte er daher genau , da ß di e Schulde n a m nächste n Ta g u m dre i Uhr begliche n sei n würden . Allerdin g s hatt e e r nich t vor , dann aufzuhören . E r hatt e Murk s bereit s gesagt , e r woll e vo n dem Vertragszusat z Gebrauc h machen , u m sic h noc h etwas Reisegel d z u verdienen . Un d d a e r gena u wußte , wievie l er brauche n würd e (fü r Taxifahrten , ei n Flugticke t nac h Minnes ota, Weihnachtsgeschenk e fü r Juliett e un d ihr e Vetter n und Kusinen), hatte er beschlossen, noch eine Woche zu bleiben. Als o bi s zu m zwanzigsten . Danac h würd e e r al s erste s mi t einem Tax i z u de m Krankenhau s i n Doylestow n fahren , un d nachdem e r sic h vergewisser t hätte , da ß Pozz i dor t ni e gewese n war, würd e e r sic h vo n eine m Tax i zu r Polize i bringe n lassen . Dort würd e e r wahrscheinlic h ein e Zeitlan g bleibe n müssen , u m bei de r Untersuchun g z u helfen , dacht e er , abe r höchsten s ei n paar Tage , vielleich t nu r eine n ode r zwei . Mi t etwa s Glüc k könnt e er rechtzeiti g zu m Heiligaben d i n Minnesot a sein.
    Vo n seine m Geburtsta g sagt e e r Murk s nichts . E r fühlt e sich seltsa m danebe n a n diese m Morgen , un d al s e s dan n langsam auf drei Uhr
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