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Die Muenze von Akragas

Titel: Die Muenze von Akragas
Autoren: Andrea Camilleri
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in die Arme wie zwei alte Freunde. Ein wenig verlegen trennen sie sich wieder voneinander. Der Präfekt kann sein Erstaunen nicht verbergen. Also ist es doch wahr, was man sich erzählt und was bis zu ihm vorgedrungen ist, dass die beiden Stiefbrüder sind? Er begleitet sie in den gewohnten Salon und entfernt sich. Der Marchese ist sichtlich erschöpft.
    «Ihre Gattin ist wohlauf ?», erkundigt er sich.
    Nachdem die Höflichkeitsfloskeln ausgetauscht sind, zieht er die Schachtel hervor, öffnet sie und zeigt dem Doktor die kleine Akragas, doch statt sie ihm zu überreichen, legt er sie auf das Tischchen.
    «Seine Majestät hat Ihre exquisite Höflichkeit mit dem Ausdruck größter Wertschätzung gewürdigt und dankt Ihnen.»
    Da der Doktor nicht weiß, was er sagen soll, macht er im Sitzen eine halbe Verbeugung.
    «Hören Sie», fährt der Marchese fort. «Heute bleibt Ihnen nicht mehr genug Zeit, die Münze wieder im Schließfach zu deponieren, oder?»
    «Ich glaube nicht.»
    «Dann lassen Sie sie noch eine Weile bei mir. Hier in der Präfektur ist sie sicher.»
    «Einverstanden.»
    «Darf ich Sie fragen, ob es Ihnen nicht allzu lästig wäre, wenn ich Sie morgen wieder auf Ihrer Runde begleite? Ich habe zwei Flaschen von meinem Wein mitgebracht, eine für Sie und eine für Don Minico.»
    Die Miene des Doktors hellt sich auf.
    «Lästig? Aber durchaus nicht!»
    Doch er hat begriffen, dass der Marchese ihm etwas sagen will und dass er dies lieber tun möchte, während er in der frischen Morgenluft an seiner Seite reitet.
     
    Er erscheint pünktlich auf die Minute um fünf, im Jagdanzug. Diesmal ist er allein gekommen, jetzt kennt er den Weg. Und die Einladung zum Kaffee wiederholt sich mit dem dazugehörigen Handkuss für die hingerissene ’Ndondò. Eine Einladung, die mit einer Flasche Wein aus der Produktion des Marchese erwidert wird.
    Welcher zu sprechen beginnt, kaum dass sie die Stadt hinter sich gelassen haben.
    «Ich möchte Ihnen sagen, dass ich mir erlaubt habe, eine Initiative zu ergreifen, wobei ich mich jedoch auf das gestützt habe, was Sie mir beim letzten Mal anzuvertrauen geruhten.»
    «Was für eine Initiative?»
    «Vor einiger Zeit hat Seine Majestät mir die Ehre erwiesen, mich in ein Problem einzuweihen, das Ihn beschäftigt… Sagen wir so: Er wollte sich privat bei einem ausländischen Diplomaten bedanken, der… Bitte entschuldigen Sie, mehr darf ich Ihnen nicht sagen. Dieser Diplomat würde es indessen als eine Beleidung auffassen, wenn er von Seiner Majestät, was weiß ich, ein Schmuckstück für seine Gattin oder etwas Ähnliches erhielte… Es musste also etwas Unverkäufliches und gleichzeitig sehr Wertvolles gefunden werden… Und so ist mir die Idee gekommen, Seiner Majestät vorzuschlagen, Ihre Münze zu kaufen und sie diesem Mann zum Geschenk zu machen. Sie werden entschuldigen, dass ich…»
    «Sie müssen sich nicht entschuldigen. Was hat Seine Majestät Ihnen geantwortet?»
    «Der König war so gütig, meinen Vorschlag anzunehmen.»
    Der Marchese zündet sich eine Zigarre an. Nach dem ersten Zug spricht er weiter.
    «Wenn Sie einverstanden sind, sagen Sie mir einfach nur, wie viel… nun, welche Summe Sie verlangen und… Denken Sie darüber nach. Ich habe vor, morgen Nachmittag wieder abzureisen.»
    Der Doktor fällt in ein langes Schweigen. Er ahnt, dass die Geschichte an ihr Ende kommt. Vielleicht war es das, was die kleine Akragas wollte.
    «Ich habe mich entschieden», sagt er plötzlich mit fester Stimme. «Nehmen Sie die Münze mit. Aber ich will keinen Centesimo dafür.»
    Der Marchese bricht in Gelächter aus.
    «Diese Antwort hat Seine Majestät vorausgesehen! ‹Ein solcher Mensch wird keinen Centesimo haben wollen›, hat Er gesagt. Darum schlage ich Ihnen eine Alternative vor.»
    «Welche?»
    Der Marchese schildert sie ihm. Nicht ganz, den Teil, der den Doktor persönlich betrifft, verschweigt er.
    Beim Zuhören ist dem Doktor, als erlebte er ein Märchen und wäre ein Teil davon. Da aber niemand erfahren darf, dass er die Münze dem König geschenkt hat, vereinbaren die beiden, am nächsten Tag in die Bank zu gehen, wo der Doktor die leere Schachtel in das Schließfach legen wird.
     
    Anderthalb Monate später wird der Gefangene Pietro Cammarota durch einen Erlass motu proprio Seiner Majestät Vittorio Emanuele III., König von Italien, begnadigt. Zwei Monate später gewährt der König Vittorio Emanuele III. motu proprio Saverio Bonaviva, dem Sohn des von
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