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Die Muenze von Akragas

Titel: Die Muenze von Akragas
Autoren: Andrea Camilleri
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Münze an, und ich bringe sie Seiner Majestät. Am folgenden Tag werde ich persönlich die Reise wieder in umgekehrter Richtung antreten und Ihnen die Münze zurückerstatten.»
    Der Doktor will etwas sagen, doch der Marchese hält ihn mit einer Handbewegung zurück. «Entschuldigen Sie, ich bin noch nicht fertig. Natürlich wurde ich auf der Hinfahrt eskortiert und werde immer mit Eskorte reisen. Dies zu Ihrer Beruhigung. Doch abgesehen davon möchte ich, sobald mir die Münze übergeben wurde, in der Filiale der Banca d’Italia von Girgenti auf Ihren Namen ein Kautionsdepot über, sagen wir, fünfzigtausend Lire oder eine andere von Ihnen gewünschte Summe eröffnen, zu dem Sie Zugang erhalten, falls die Münze nicht zurückerstattet wird. Selbstverständlich wird das Depot im Augenblick der Rückgabe gelöscht. Sie müssen mir Ihre Entscheidung nicht sofort mitteilen. Wir haben keine Eile. Sagen Sie es mir morgen. Die Nacht bringt Rat, wie man zu sagen pflegt.»
    «Ich brauche nicht bis morgen zu warten», sagt der Doktor. «Meine Antwort lautet Ja. Freilich unter einer Bedingung.»
    «Ich höre.»
    «Ich möchte kein Kautionsdepot.»
    «Als ich Sie kennenlernte», sagt der Marchese, «habe ich einen Augenblick später gewusst, dass Sie das Depot ablehnen würden. Doch ich muss darauf bestehen.»
    «Ich auch.»
    «Ich bitte Sie, Dottore, Seine Majestät hat es mir als Conditio sine qua non aufgetragen. Falls Sie das Depot verweigern, habe ich den ausdrücklichen Befehl, mit leeren Händen nach Rom zurückzukehren. Seine Majestät wäre tief enttäuscht.»
    «Na gut», sagt der Doktor widerstrebend.
    «Ich danke Ihnen. Natürlich werde ich Seiner Majestät genau Bericht über alles erstatten, Er wird von Ihrer noblen Großherzigkeit hören. Und wie verbleiben wir beide jetzt, wo wir das kleine Problem gelöst haben?»

 
     
    Zwölf       Wie im Märchen
     
    Schlag fünf Uhr erscheint der Marchese vor dem Haus des Doktors. Der Mann, der ihn begleitet, steigt vom Pferd und klopft. In einem Fenster taucht der Doktor auf:
    «Möchten Sie heraufkommen und einen Kaffee trinken?»
    «Sehr gerne, wenn ich nicht störe.»
    ’Ndondò hat darauf bestanden, sie war nicht davon abzubringen. «Wenn er dir so sehr gleicht, will ich ihn kennenlernen!»
    Der Marchese verabschiedet seinen Begleiter, der Doktor kommt herunter, um ihm die Tür aufzumachen. ’Ndondò präsentiert sich in Festtagskleidung, ist vom Anblick des Marchese jedoch offensichtlich verwirrt, so dass sie kein Wort mehr herausbringt. Den Gnadenstoß hat ihr der Gast selbst versetzt, als er ihr, hochelegant in seinem Jagdanzug, einen formvollendeten Handkuss gab. Nachdem sie Kaffee getrunken haben, gehen die beiden hinaus. Der Doktor holt sein Pferd, der Marchese steigt auf das Tier, das man ihm in der Präfektur zur Verfügung gestellt hat.
    Der Tag ist sonnig, warm, prächtig. Sie reiten schon eine Weile, als das Gespräch wieder auf die kleine Akragas kommt. Der Marchese hat sogar angefangen, er möchte den Doktor noch einmal beruhigen, solange ihm die Münze anvertraut ist, besteht keinerlei Gefahr, dass sie verschwindet.
    «Seien Sie da nicht so sicher. Noch ist nicht gesagt, dass sie es nicht versucht.»
    «Wer?», fragt der Marchese.
    Da beschließt der Doktor, wer weiß, warum, vielleicht weil dieser Mann ihm so ähnlich sieht, dass er sein Bruder sein könnte, sich zu offenbaren, und gesteht dem Marchese, dass er den aberwitzigen Eindruck hat, die Münze sei mit einer Art eigenem Willen begabt. Als würde sie, solange sie keine Unterbringung nach ihrem Geschmack findet, fortwährend versuchen, wieder unter der Erde zu verschwinden. Und da der Marchese nicht nur keine ironischen Bemerkungen über seine Theorie macht, sondern ihm sogar mit größter Aufmerksamkeit zuhört, vertraut er ihm auch an, dass hierin möglicherweise der Grund liegt, warum er die Münze nicht gänzlich als sein Eigentum empfinden kann.
    Da reagiert der Marchese mit einem verblüffenden Satz:
    «Ich verstehe Sie vollkommen. Mir ist etwas Ähnliches passiert.»
    «Mit einer Münze?», fragt der Doktor erstaunt.
    «Nein, mit meiner Tochter Adelaide. Sie war die meine, ich liebte sie, aber in meinem Inneren wusste ich, dass sie mir nie ganz gehören würde. Sie würde, wie es richtig und natürlich ist und wie es eines Tages auch geschah, dem Mann gehören, der sie liebte und von dem sie Kinder haben würde.»
     
    Der Doktor lässt den Marchese auf dem Hof von Don Minico
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