Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Moralisten

Titel: Die Moralisten
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
auf dem Schreibtisch. Im Hintergrund des Raumes öffnete sich eine Schiebetür, und ein kleiner Speisesaal wurde sichtbar. Der runde Tisch in der Mitte war groß genug für acht Gäste, aber es war nur für drei Personen gedeckt. Über die Gegensprechanlage teilte Judds Vater der Küche mit, daß das Essen serviert werden könne. »Ich nehme einen Scotch mit Wasser als Aperitif«, sagte er. »Und du?«
    »Dasselbe, bitte.« Judd folgte seinem Vater in den Salon. Durch eine Seitentür kam ein zierlicher Schwarzer im schwarzen Anzug mit Fliege. »Mr. Crane?«
    »Das Übliche, Fast Eddie«, sagte Judds Vater. »Zweimal, bitte.«
    Der schmächtige Schwarze machte seinem Namen alle Ehre. Die beiden Drinks standen fast schon auf dem Tablett, bevor sie bestellt waren.
    »Eddie, das ist mein Sohn Judd«, sagte Judds Vater, als er sich seinen Drink nahm.
    Eddie reichte Judd seinen Drink. »Sehr erfreut, Mr. Crane.« »Danke«, sagte Judd und beobachtete, wie sich Fast Eddie zurückzog. »Prost, Vater.« »Prost, mein Junge.« Sie tranken. »Seit wann arbeitet Eddie für dich?« fragte Judd.
    Seit ungefähr drei Monaten. Er ist der Enkel von Ros-coe, und Roscoe hat ihn zwei Jahre lang geschult.
    Der Junge ist wirklich gut. Man glaubt kaum, daß er gerade erst achtzehn geworden ist.«
    Er macht einen sehr netten Eindruck.« »Er ist genau wie sein Großvater. Immer zur Stelle, wenn man ihn braucht.« Der alte Mann setzte sich und winkte Judd auf den gegenüberliegenden Platz. »Hast du dich über meinen Anruf gewundert?« Judd nickte.
    »Nun, es gibt eine Menge zu besprechen«, erklärte sein
    Vater. »Worüber wollen wir erst reden? Die guten Nachrichten oder die schlechten?«
    »Ganz wie du möchtest, Vater.«
    »Dann fange ich mit den guten Nachrichten an. Du weißt, daß ich, seit deine Mutter vor fünfzehn Jahren starb, allein gelebt habe. Sicher, es hat mal ein paar Frauen gegeben, aber das war nie etwas Ernstes. Doch jetzt werde ich wieder heiraten. Ich bin sicher, sie wird dir gefallen.«
    Judd warf seinem Vater einen überraschten Blick zu. »Das einzige, worauf es ankommt, ist, daß du sie magst, Vater. Ich freue mich mit dir.«
    Sein Vater lächelte. »Du hast mich ja noch nicht mal gefragt, wie sie heißt.« Er zögerte einen Moment.
    »Es ist Barbara.« Judd war verblüfft. »Miß Barrett?« Sein Vater lachte. »Ist das so erstaunlich?« »Ja«, erwiderte Judd. »Eine Überraschung ist das schon, aber eine angenehme. In gewisser Weise frage ich mich, warum ihr nicht schon früher geheiratet habt. Irgendwie gehörte sie doch immer schon zur Familie.
    Darf ich ihr auch gratulieren?«
    »Sie wird gleich zum Essen hereinkommen«, sagte sein Vater.
    »Wann werdet ihr heiraten?«
    »Heute abend um sechs. Judge Gitlin traut uns bei mir in der Wohnung.«
    »Ich kenne Onkel Paul«, lachte Judd. »Aber unter diesen Umständen sollte ich mir wohl besser rasch einen Abendanzug beschaffen.«
    »So schrecklich feierlich wird es nicht zugehen. Ich habe nur ein paar gute Freunde eingeladen.« Dann wurde Judds Vater sehr ernst. »Eine schlechte Nachricht habe ich auch.« Judd wartete schweigend.
    »Ich habe die Hodgkinsche Krankheit.« Seine Stimme zit terte.
    »Was ist das?« fragte Judd.
    »Eine Art Blutkrebs.« Sein Vater wartete einen Augenblick und fügte dann hinzu: »Es könnte aber schlimmer sein. Die Ärzte meinen, die Krankheit werde mich in den nächsten fünf oder sechs Jahren noch nicht sehr beeinträchtigen. Und wer weiß, was in der Zwischenzeit noch alles entdeckt wird? Vielleicht entwickelt jemand schon in der nächsten Woche ein Medikament, das mir hilft.«
    Judd schwieg, atmete so ruhig wie möglich und versuchte, seine Tränen zurückzuhalten. »Hoffentlich, Daddy. Sie finden bestimmt etwas, da bin ich ganz sicher.« »Und wenn nicht, kann ich mich auch nicht beklagen. Ich habe mein Leben gelebt, und schlecht war es nicht.« Judd sagte nichts, sondern starrte seinen Vater nur hilflos an.
    »Ich habe keine Angst vor dem Tod«, sagte sein Vater leise. »Tod und Unsterblichkeit sind für mich immer ein und dasselbe gewesen.«
    4
    Ein Jeep mit zwei uniformierten Zollbeamten eskortierte sie über den Frachtflughafen zur Rollbahn hinaus.
    Sie fuhren an einer Reihe von Lagerhäusern und geparkten Verkehrsma schinen vorbei und gelangten schließlich auf den militärischen Teil des Flughafens. Die mitternachtsblaue Boeing 747 ragte wie eine Bienenkönigin aus einem Schwärm jugoslawischer Jagdflugzeuge heraus.
    Judd
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher