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Die Mondspielerin: Roman (German Edition)

Die Mondspielerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Mondspielerin: Roman (German Edition)
Autoren: Nina George
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die sein Gefängnis der Liebe umfriedet hatten. Unzählige Zettel steckten in den Spalten, die Menschen, offenbar dann ohne Verstand, mit ihren Wünschen hineingesteckt hatten. Auch Marianne; sie hatte sich gewünscht: »Lass mich lieben und geliebt werden.«
    »Willst du eigentlich wissen, was ich in Kerdruc gemacht habe?«, fragte sie Lothar.
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Ich bin mit einem Jaguar gefahren und einer Vespa, habe Hummer gekocht, Hunde und Katzen von Ming-Dynastie-Tellern gefüttert, eine Nonne gerettet, habe Model gestanden, am Strand Akkordeon gespielt und mich ein paarmal im Handauflegen versucht.«
    Lothar sah sie verblüfft an: »Wieso sollst denn ausgerechnet du all so was können?«
    »Glaubst du mir nicht?«
    Er starrte sie an, dann fiel sein Blick wieder auf die Zeitschrift.
    »Doch. Ja. Natürlich.«
    »Lothar.«
    »Was?«
    »Weißt du, was eine Klitoris ist?«
    Sein Gesicht überzog sich mit dunklem Rot.
    »Ich bitte dich!«
    »Also ja?«
    Er nickte gepresst und sah sich um, ob sie jemand belauschte.
    »Wieso hast du dich dann nie um meine gekümmert?«
    »Dein Liebhaber war wohl besser.«
    »Soll ich dir jetzt Sybille vorhalten?«
    »Über Sybille haben wir geredet. Das ist vorbei.«
    »Das Gespräch über Sybille dauerte keine fünf Minuten, und danach wolltest du nicht, dass ich jemals wieder darüber spreche.«
    »Weil es ja vorbei war! Ich wollte nur dich!«
    »Wir müssen anfangen, miteinander zu reden, Lothar. Wirklich zu reden.«
    »Man kann die Dinge auch zerreden! Zeit heilt alle Wunden, das ist immer noch das Beste.«
    »Wir haben nicht mehr viel Zeit, Lothar. Vielleicht zwanzig Jahre, wenn es gut läuft.«
    »Du bist immer so dramatisch!«
    Marianne atmete tief durch. »Vergiss die Sache mit der Klitoris. Ich möchte dir gern sagen, was ich noch will. Ich will arbeiten gehen. Ich will ein eigenes Zimmer. Und ich will Akkordeon spielen.«
    »Wo liegt das Problem? Mach doch, wenn du willst!«
    »All das war für dich immer ein Problem!«
    »Ach, das hast du dir nur eingebildet.«
    Marianne stutzte. Konnte das wahr sein? Hatte sie ihren Mann schlimmer in Erinnerung, als es Tatsache war? Hatte sie sich das ausgedacht, um ihn besser hassen zu können? Verunsichert sah sie nach draußen; sie hatten Rennes seit einer Stunde hinter sich gelassen. Bald würden sie am Gare du Montparnasse sein.
    »Sag mir was Nettes«, bat sie.
    Unwillig klappte er die Zeitschrift zu. »Marianne! Ich bin nach Frankreich gekommen, um dich zu bitten, mit mir nach Hause zu kommen und mich noch einmal zu heiraten! Ist das nicht nett genug, dass ich mit dir leben will? Was soll ich denn noch tun? «
    Romantisch sein. Liebevoll. Zärtlich. Interessiert. Glücklich, mich zu sehen! Mich ansehen, als ob ich der wichtigste Mensch für dich bin. Mich begehren. Achten. Nur einmal willens sein, mir zu glauben. Auf meiner Seite sein. Aufhören, in der bescheuerten Zeitung zu lesen, und mit mir reden!
    »Ich liebe dich«, sagte Lothar. »Wolltest du das hören?«
    Wolltest du das sagen?
    Ich hab’s doch gesagt!
    Ja, aber meinst du es auch so?
    Marianne, ich steig gleich aus. Wenn alle Frauen das machen würden und ständig ihre Männer fragen, wie sie was meinen …
    … aber es machen nicht alle Frauen.
    Na, zum Glück! Wie sollte da unsere Gesellschaft auch überleben! Man muss auch mal das große Ganze sehen, nicht nur sich! Das nennt sich erwachsen!
    Man muss immer den Einzelnen sehen. Jeder ist nämlich einzeln, und jeder hat einzelne, einzigartige Gründe. Und jeder Einzelne zählt. Das nenne ich erwachsen.
    Sie führte diesen Dialog unausgesprochen mit sich allein. Und nein, Marianne war sich jetzt sicher: Ihre Erinnerungen an Lothar hatten sie nicht getrogen.
    Aber vielleicht musste sie anfangen, all das für ihn zu tun, was sie sich von ihm wünschte. Vielleicht sollte sie weiblicher sein, verführerischer, selbstbewusster, interessanter …
    »O GOTT, HÖR AUF, MIR WIRD SCHLECHT!«
    Die Stimme in ihrem Kopf schrie sie an. Sie hörte sich an wie Colette.
    »Ja, das wollte ich hören«, antwortete Marianne nach einer Weile.
    Irgendwann spürte sie, wie sich Lothars Hand auf ihre legte.
    »Wir sollten neue Ringe kaufen«, flüsterte er, als er über ihren nackten Ringfinger strich.
    »Was sollen denn sonst die Leute denken?«, murmelte er, und Marianne zog ihre Hand unter seiner fort.

    Paris, Montparnasse. Vor den Ständen tummelten sich die Menschen wie immer, und als Marianne an einem Schuhstand
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