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Die Mondscheinbaeckerin

Die Mondscheinbaeckerin

Titel: Die Mondscheinbaeckerin
Autoren: Sarah Addison Allen
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»Historischen Main Street« befinde. Es handelte sich um eine schöne breite Straße, die sich deutlich von den Wohnvierteln unterschied, durch die sie bis dahin gekommen war. Am vorderen Ende standen Ziegelbauten im pompösen Federal Style, die ohne nennenswerte Gärten davor an den Gehsteig heranreichten. Auf der anderen Seite befand sich ein Park mit einem Musikpavillon, auf dessen Dach eine halbmondförmige Wetterfahne aus Silber prangte. Hinter den Häusern und dem Park wurde die Straße mit Touristenläden und Lokalen kommerziell. Emily zählte sieben Grillrestaurants, und dabei war sie erst auf halber Höhe der Straße. Von ihnen stieg offenbar der süßlich duftende Holzrauch auf, der über dem Ort hing wie ein Schleier.
    Die zahlreichen Touristen waren genauso fasziniert von Mullabys altmodischem Charme wie Emily, die J’s Barbecue nirgends entdecken konnte. Sie bekam Panik. In der einen Sekunde war sie noch glücklich und aktiv, in der nächsten hatte sie schreckliche Angst, das Lokal nicht zu finden. Was, wenn Julia sich getäuscht hatte? Was, wenn Opa Vance nicht dort war? Was, wenn sie nicht mehr nach Hause fand?
    Ihr wurde schwindlig, sie fühlte sich wie unter Wasser, spürte Druck auf Augen und Ohren und nahm flackernde Leuchtpunkte am Rand ihres Gesichtsfelds wahr.
    Seit dem Tod ihrer Mutter hatte sie öfter solche Panikattacken. Es war ihr nicht schwergefallen, sie vor Merry, der besten Freundin ihrer Mutter, bei der sie in den vergangenen vier Monaten gewohnt hatte, zu verbergen. Sie hatte lediglich die Tür zu ihrem Zimmer schließen müssen. Und in der Schule sahen ihre Lehrer einfach weg, wenn sie in der Mädchentoilette auf dem Boden bei den Waschbecken sitzend versuchte, Luft zu bekommen.
    Das Ende der Main Street, an dem sich die Geschäfte befanden, war mit Bänken gesäumt. Emily setzte sich, kalten Schweiß auf der Stirn, auf die nächstgelegene. Nein, sie würde nicht in Ohnmacht fallen, dachte sie.
    Emily beugte sich vor und senkte den Kopf. Die Länge des Oberschenkelknochens lässt Rückschlüsse zu auf die Körpergröße , fiel ihr plötzlich aus dem Biologieunterricht ein, als ihr Blick auf ihren Oberschenkeln ruhte.
    Da kam ein Paar teurer Herrenschuhe vor ihr in Sicht.
    Sie hob den Blick. Es war ein junger Mann etwa in ihrem Alter in einem Sommeranzug aus weißem Leinen, die Hände lässig in den Hosentaschen. Er trug eine rote Fliege, und seine dunklen Haare kringelten sich um seinen gestärkten Kragen. Er wirkte auf kultivierte Weise attraktiv, wie aus einem Stück von Tennessee Williams. Plötzlich fühlte sie sich in ihren Shorts und ihrem Top befangen. Verglichen mit ihm sah sie aus, als käme sie gerade aus dem Fitnessstudio.
    Er betrachtete sie eine Weile schweigend, bis er schließlich fast ein wenig widerwillig fragte: »Alles in Ordnung?«
    Warum nur waren alle ihr gegenüber so reserviert? Sie holte tief Luft. »Ja, danke«, antwortete sie.
    Â»Bist du krank?«
    Â»Mir ist ein bisschen schwindlig.« Als ihr Blick auf ihre Söckchen und Turnschuhe fiel, hatte sie das merkwürdige Gefühl, als gehörten ihre Füße nicht zu ihr. Knöchelsocken sind inakzeptabel. Strümpfe müssen bis zum Knie reichen. So stand es im Handbuch der Roxley School for Girls, an der sie ihre bisherige Schulzeit verbracht und die ihre Mutter mitbegründet hatte, eine Schule, die die Bereitschaft der Mädchen zu politischem und ehrenamtlichem Engagement fördern sollte.
    Schweigen. Als sie den Blick wieder hob, war der junge Mann verschwunden. Hatte sie halluziniert? Vielleicht hatte sich ihr Gehirn passend zur Umgebung einen altmodischen Südstaatlerarchetypus ausgedacht. Wenig später spürte sie, wie jemand sich neben sie auf die Bank setzte, und der angenehm frische Geruch von Eau de Cologne stieg ihr in die Nase. Da erschreckte sie das laute Geräusch einer Getränkedose, die geöffnet wurde.
    Der junge Mann in dem weißen Leinenanzug, der nun neben ihr saß, hielt ihr eine Dose Cola hin.
    Â»Nimm«, forderte er sie auf.
    Sie griff mit zitternder Hand danach und trank einen großen Schluck von dem leicht auf der Zunge brennenden Getränk. Es schmeckte ihr so gut, dass die Dose im Nu leer war.
    Emily schloss die Augen und legte die kalte Dose an ihre Stirn. Wann hatte sie das letzte Mal etwas getrunken? Lange bevor sie tags zuvor
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