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Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Titel: Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)
Autoren: Volker Ferkau
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Vater früher, als er seinen Sohn noch Tom nannte, Hüte aufhängen wollte. Thomas, der nicht mehr Tom ist, denn er ist ein Mann, hasst die Soldatenzeit, aber er liebt diesen Tag, diesen einen Tag, von dem – Gott sei Dank! - immer nur einer auf einmal kommt, sodass die Zukunft ein geschlossenes Buch bleibt.
    Doch das Buch öffnet sich, nur einen Wimpernschlag lang, ohne dass Thomas es merkt, ohne dass seine Wahrnehmung von den Fischen abgelenkt wird, was erst geschieht, als drei Männer hinter ihm, Lars und Volker stehen, und einer von denen blafft: »Auf die Beine, Männer, und zwar plötzlich!«
    Träge drehen sich die Angler um und erstarren.
    Thomas erkennt ihn sofort, auch wenn es vierunddreißig Grad im Schatten hat, wenn der Himmel im Überblau zu explodieren scheint und die Vögel erschöpft im Schatten der Äste ruhen, erkennt ihn sofort, den Mann, den er wie keinen zweiten Menschen verabscheut.
    » Aha, und Wille ist auch dabei. Dacht ich’s mir doch«, knarrt Stabsunteroffizier Ditschig, als ginge es nur um Thomas, den er sich seit Monaten ausgeguckt hat, da er einer von den Kleinen zu sein scheint, die ein Problem mit Hochgewachsenen haben.
    Neben ihm verharren der Neckermann-Leutnants Müller und sein Kamerad Neckermann-Holder. Man nennt die beiden so, da sie sich nach dem Abitur für eine Berufssoldatenkarriere entschlossen und umgehend in den Offiziersstand kamen, wofür ein Nichtabiturient fünfzehn Jahre benötigt. Leutnants mit Gesichtern wie Milch. Wie Thomas diese eitlen Kerle belustigen. Da gibt es den überaus netten Feldwebel Lütgenau, der sich nach zwölf Jahren Dienst durch Lehrgänge quält, um vielleicht bald Leutnant zu werden, ein gefälliges Schlachtschiff, das seinen Beruf von der Pieke auf gelernt hat und nun den Nacken vor diesen Knaben beugen muss. So etwas darf nicht sein, das ist ungerecht.
    Den Nacken beugen.
    Darum geht es stets bei diesem Murks, der sich Bundeswehr und Dienstzeit nennt oder Militär . Wofür Thomas seine gutdotierte Arbeitsstelle verlassen musste, in der Hoffnung, dass sie dort noch einen Platz für ihn haben, wenn er nach achtzehn Monaten zurückkehrt ins zivile Leben.
    Den Nacken beugen will Thomas nicht vor diesen zumeist jüngeren Männern, dafür ist er zu alt, da ist er wie sein Vater, Frank Wille, von dem er gelernt hat, sich mit den Fäusten zu verteidigen, womit er gut gefahren ist – und sich bei der Bundeswehr, kurz »dem Bund«, einige Feinde geschaffen hat. Dabei hat er vergessen, dass nur der siegt, der besonnener ist. Auch das hat sein Vater ihm beigebracht, doch manches verliert sich oder ruht vorübergehend.
    » Was grunzt ein Schwein, wenn es vor einen Baum läuft?«, flüstert er gut vernehmbar, als sei er gezwungen, spätpubertäre Schwingungen in Schleifen zu binden. Macht ihn die Hitze unvorsichtig oder schläft sein Verstand?
    Lars kichert, denn er kennt die Antwort, und er weiß um die Probleme, die Thomas mit Ditschig hat.
    » Stuffz !«, grunzt Thomas die Abkürzung für Stabsunteroffizier, genauso gut vernehmbar und es klingt tatsächlich wie ein Schwein, dass verwirrt seine verbogene Steckernase zu richten versucht. »Man könnte auch Ditsch sagen«, setzt Thomas noch einen drauf.
    » Darüber sprechen wir später, Gefreiter Wille«, stößt Ditschig hervor, als kotze er in einen Eimer. Thomas steht kerzengerade, die Hand an der Hosennaht, die glühende Sonne auf dem nackten Rücken. Man kann schließlich so tun, als sei man willig, nicht wahr? Je aufgesetzter diszipliniert, desto wirksamer die Farce und die Ironie.
    » Schon mal was von Terrorismus gehört?«, schnauzt Ditschig. »Schon mal was davon gehört, dass diese Dreckschweine auf unsere Waffen aus sind?«
    So ein Schwachsinn. Hier lagern keine Waffen, außerdem bezieht die RAF ihre Waffen aus dem Nahen Osten.
    »In zwei Minuten möchte ich Sie angezogen am Wachhaus sehen, ist das klar?«
    » Jawoll, Herr Stabsunteroffizier!«, schmettern Thomas und seine Kameraden. Ein Reflex, den man ihnen antrainiert hat. »Jawoll!« Immerzu »Jawoll!« Mit Doppel-L.
    » Im Laufschritt!«, donnert Ditschig.
    Auch so was. Laufschritt. Wenn nichts mehr geht, geht es halt schneller. »Zackzack!«, »Laufschritt!« und »Jawoll!« und wieder »Zackzack!« und letztendlich der allumfassende Befehl »Aaaaachtung!« Dann stehen alle stramm, und niemand wagt, sich die juckende Arschritze zu kratzen oder sich den Schweiß abzuwischen, der in die Augen läuft. Schließlich geht es um Dressur,
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