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Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Titel: Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)
Autoren: Volker Ferkau
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Schuljunge.
    Diese weibliche Attitüde pflegen alle Männer hier, die oft damit hadern, dass Frauen nicht zum Militär müssen und deshalb nicht wissen, was wirklich geschieht, sich vermutlich auch nicht dafür interessieren, da es in ihrem Kosmos nicht vorkommen soll. Vielleicht wird man irgendwann auch Frauen ziehen, wie es bei den Amerikanern schon jetzt üblich ist.
    Die Soldaten sind nur deshalb ein mit Frisiercreme und Haarspray beschäftigter Haufen, weil diese Politikeridioten das Haarnetz vor ein paar Monaten abgeschafft haben. Der Verteidigungsminister Helmut Schmidt erlaubte mit dem Haarnetz-Erlass das Tragen langer Haare im Dienst, gebändigt von einem Netz. Sofort gab es einen Aufschrei der ach so einigen Bürgerschaft, die den langhaarigen Gammlern nichts abgewinnen konnte. Ein Jahr später wurde es wieder abgeschafft. Mit der Begründung, die Soldaten hätten durch die nassen Haare Erkältungen bekommen. Lächerlicher geht’s nicht mehr.
    Niemand ahnt, was man Thomas und seinen Kameraden damit antut. Man gliedert sie gesellschaftlich und modisch aus, und da die Bundeswehr sowieso das Allerletzte ist, der Abschaum schlechthin, sind die Chancen, als kurzhaariger Typ bei Mädchen zu landen, minimal, falls man von den en am Stationierungsort absieht, eine ganz eigene Spezies jagender Löwinnen. 
    Es ist grauenvoll, wenn man uniformiert mit der Bundesbahn nachhause fahren muss, was Gott sei Dank selten geschieht, und man ist froh, nicht mit Tomaten oder Schlimmerem beworfen zu werden. Ausgelacht oder schräg angeguckt wird man auf jeden Fall.
    Thomas hatte gehofft, nicht gezogen zu werden. Dann war es doch geschehen, da man einen Fehler gemacht hatte. Die Behörde war der Meinung gewesen, er studiere, und als der Fehler auffiel, war Thomas 22 geworden, in einem Alter, in dem sich Perspektiven nicht nur abzeichnen, sondern greifbar s ind. Nun wird Grünzeug getragen und die Zukunft hat zu schweigen.
    Er kratzt seine juckende Kopfhaut, ein Nebeneffekt des Sprays , und versucht, sich auf das Wichtige seines Dienstes zu konzentrieren.
    Auf die Angelschnur.
    Sie sitzen nebeneinander, Gefreiter Lars Schmidt, Gefreiter Volker Trampop und Thomas Wille, und sie halten die Angeln ins Wasser. Der Seitenarm der Elbe führt reichlich Fische und einen oder zwei werden sie fangen, schließlich ist Unteroffizier Markus Trecker ein passionierter Angler, der die richtigen Plätze kennt, und Trecker hält nicht viel von Disziplin. Er hat sie alle mit Angeln ausgestattet und ist derzeit im Wachhäuschen, wo er am Telefon Bericht erstattet, alles sei bester Dinge. Dann wird er sich zu ihnen gesellen, zu seinen drei Wachleuten, die halbnackt und gebräunt in der Sonne sitzen und den Tag genießen.
    Wache mit Trecker ist wie Urlaub, denn der liebenswürdige Unteroffizier macht kein Hehl daraus, dass er seine vier Pflichtjahre abreißen, die Abfindung mitnehmen, und dann was ganz anderes tun wird. Er wollte nicht zum Bund, aber man hat ihn quasi gezwungen. Jetzt sahnt er ab und zeigt es ihnen.
    Außerdem ist dieses Wachegehen sowieso lächerlich. Was bewachen sie denn schon? Ein paar Ruderboote an einem Seitenarm der Elbe, in der Nähe von Stade, Richtung Hamburg, wo die Reeperbahn ist, die für manches Wochenendvergnügen sorgt, soweit es die finanziellen Mittel zulassen, denn viel leisten kann man sich von 200 Mark im Monat nicht. Vielleicht einen rubbeln lassen oder wenn man einer Großzügig en begegnet, die Mitleid mit dem stammelnden Jungen hat, einen blasen lassen, was oftmals vorbei ist, bevor es beginnt.
    Große Schlauchboote bewachen sie, in die man sich nachts verkriechen kann, um ein Nickerchen zu machen, anstatt im Kreis zu laufen, stets am Zaun entlang, als würde man Fort Knox bewachen, das G 3 über dem Rücken, den imaginären Feind im inhaltslosen Blick. Es gibt keine Feinde. Es gibt nur den Sommer.
    Einer der vielen Sommertage, denn das ganze Land stöhnt unter der Hitze. Seit Wochen hat es nicht mehr geregnet, und viele nennen diese Zeit 1976 einen Jahrhundertsommer.
    Thomas ist jung, also sind Hitze und Schweiß für ihn etwa Gegebenes, nichts, über das man sich Gedanken machen müsste, andererseits ist es schon erstaunlich, dass es seit Wochen nicht mehr geregnet hat und jeder Morgen aussieht wie der vorherige. Sonnig!
    Er ist gebräunt wie nach einem Urlaub und hat während der Grundausbildung zwölf Pfund abgenommen, was seine Rippen hervortreten lässt und seine Schulterblätter zu dem verwandeln, woran
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