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Die Midlife-Boomer

Die Midlife-Boomer

Titel: Die Midlife-Boomer
Autoren: Margaret Heckel
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überrollt.
    Bleibt Legende Nummer 7 , dass Volkswirtschaften mit alternder Bevölkerung zum Nullwachstum verdammt seien. Falsch, sagen die Experten: »Die Arbeitsproduktivität sinkt keineswegs unabänderlich mit dem Alter der Beschäftigten.« Entscheidend seien Beschäftigungsquote und Bildungsstand. Deshalb treffe auch die 8. Legende nicht zu, dass Ältere durch besondere Regeln geschützt werden müssten. Dies führe vor allem dazu, dass Ältere diskriminiert würden.
    Legende Nummer 9 besagt, dass steigende Lebenserwartung mehr Krankheit und Pflege bedeuten. Die Akademiegruppe widerspricht: »Die durchschnittliche gesunde Lebenszeit jenseits des 65. Lebensjahres ist allein in der Dekade der 1990er um zweieinhalb bzw. eineinhalb Jahre gestiegen (Männer/Frauen).« Auch das Risiko für jeden Einzelnen, pflegebedürftig zu werden, habe in den letzten Jahren abgenommen. Ganz wichtig seien in diesem Zusammenhang Prävention und Rehabilitation, weshalb die Legende 10 »Prävention und Rehabilitation können im Alter nichts mehr bewirken« schnellstmöglich ins Reich der Fabeln zu entsorgen sei.
    Unwahr nennen die Forscher auch Legende 11 , dass Alter zu geringerer Mobilität führt, und Legende 12 , dass alte Menschen ihren Angehörigen zur Last fielen. Keine Gnade findet auch die These, es stehe ein Kampf der Generationen bevor (Legende 13) , sowie der Satz, die Gesellschaft müsse sich durch Seniorenpolitik an den demografischen Wandel anpassen (Legende 14) . »Denken wir vom Alter her, müssen wir das Gesamtsystem verändern – zum Wohle aller«, schreiben die Wissenschaftler.
    Bleibt als Fazit Legende 15 : »Alternde Gesellschaften sind reformunfähig.« Ganz im Gegenteil, meint die Akademiegruppe: »Im Hinblick auf die Reorganisation der Arbeitswelt, des Bildungssystems, der sozialstaatlichen Regeln u.a. enthüllt und verstärkt das demographische Altern den Reformbedarf; es erhöht den politischen Handlungsdruck.« Die Leopoldina-Forscher fordern eindringlich auf, sich dem zu stellen – und mit neuer gesellschaftlicher Dynamik belohnt zu werden.
    Kommen wir deshalb also zum Bildungsbereich, der in einem Land des langen Lebens ebenfalls vor großen Umwälzungen steht. Wir brauchen gute und stimmige Modelle für all jene Midlife-Boomer, die sich mit 50 noch mal beruflich verändern wollen!
    Dazu müssen Ausbildungs- und Studienordnungen überarbeitet und angepasst werden. Und wir brauchen neue Angebote der finanziellen Förderung von Berufswechslern. Denn die Agenturen für Arbeit fördern derzeit vor allem Arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit Bedrohte bei der beruflichen Neuorientierung.
    Für Geringqualifizierte, die angestellt sind und sich weiterqualifizieren wollen, gibt es seit dem Jahr 2006 mit WeGebAU ein Programm, das allerdings derzeit nur selten genutzt wird 187 . Wie das Beispiel der badischen Großbäckerei und ihrer Senior-Azubis zeigt, gäbe es hier noch viele Möglichkeiten. Dies gilt umso mehr, als das Programm seit einigen Jahren auf Fachkräfte über 45 Jahre und alle, deren Abschluss mehr als vier Jahre zurückliegt, erweitert wurde. 188
    Wer es aber wirklich ernst mit dem lebenslangen Lernen meint, sollte sich das »Persönliche Entwicklungskonto« ansehen, das der frühere Direktor der Abteilung »Arbeitsmarktpolitik und Beschäftigung« des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) , Günther Schmid 189 , entwickelt hat.
    Darauf könnte ein Teil der jetzigen Zahlungen in die Arbeitslosenversicherung umgeleitet werden und stünde dann jedem Versicherten für die persönliche Weiterbildung zur Verfügung. Schmidt sieht die persönlichen Entwicklungskonten »als Ergänzung und nicht als Ersatz für den ›aktiven‹ Bestandteil bisheriger Arbeitsmarktpolitik«. 190 Durch die Personalisierung jedoch könnte ein starker Anreiz für jeden Beschäftigten zur Weiterbildung entstehen. Denn nutzt er die Gelder nicht, verfallen sie – beziehungsweise kommen der Gemeinschaft der Versicherten zugute.
    Dabei könnten stattliche Beträge zusammenkommen, wie Schmidt in einer Modellrechnung zeigt. So betragen die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung im Moment drei Prozent des Bruttoeinkommens. Würde ein Drittel davon auf persönliche Entwicklungskonten umgelenkt und in gleicher Höhe durch Steuermittel aufgestockt, entstünde ein Weiterbildungspool von rund 15 Milliarden Euro. Bei rund 27 Millionen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten und einer
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