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Die Merowinger - Zorn der Götter

Die Merowinger - Zorn der Götter

Titel: Die Merowinger - Zorn der Götter
Autoren: Robert Gordian
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abzuholen.
    Je länger das Warten anhielt, desto unruhiger wurde der Diakon Chundo. Er stand in einer Gruppe ausgewählter burgundischer Geistlicher und Mönche, denen an diesem Tag der Aufenthalt im Palast erlaubt war. Immer wieder schielte er besorgt zu einem der Dächer hinauf, wo hinter den schmalen Fenstern der »Engel« postiert war. Er musste dort dem unangenehmsten Zugwind ausgesetzt sein. Hinter Hecken und Büschen sah Chundo jeden Augenblick den Kopf eines seiner Vogelsteller auftauchen, die dort lauerten, um beim ersten Engelston die Deckel von den Körben zu reißen. Er fürchtete, dass die Dummköpfe sich verrieten, und bedeutete ihnen durch Zeichen, dass sie sich bücken und verstecken sollten. Aber sie bemerkten es nicht.
    Der König blieb lange in den Gemächern seiner Braut, die vielleicht noch nicht fertig war. Inzwischen war der Himmel fast völlig von Wolken bedeckt, die immer schneller dahinjagten. Und da zuckte auch schon der erste Blitz, dem fast unmittelbar das nahe Grollen des Donners folgte. Weitere Blitze erhellten den Himmel. Der stürmisch werdende Wind wehte die ersten Regentropfen heran. Die Gäste flüchteten auf die Gänge hinter den Arkaden, die den Palasthof umgaben.
    Endlich kam Chlodwig heraus. Hinter ihm erschien Chlotilde, geführt von zwei älteren Verwandten. Auch Bobo, Ursio, Ansoald und die drei Schwestern des Königs hatten sich zum Empfang der Braut in deren Wohnung verfügt und folgten ihr nun. Alle Blicke richteten sich nach dem Himmel. Aus dessen graugelber Verhüllung schoss in diesem Augenblick ein enormer Blitz hervor, dem ein ohrenbetäubendes Krachen folgte. Viele Damen schrien auf und drängten sich schutzsuchend an ihre Begleiter.
    Chlodwig drehte sich lachend zu seiner Braut um und rief, das Donnergetöse überschreiend: »Siehst du! Donar meldet sich, er ist einverstanden! Er schickt uns herzliche Hochzeitsgrüße! Weg da!«, befahl er den beiden alten Burgundern, die Chlotilde links und rechts an den Händen gefasst hielten. Er schlug seinen Mantel um die schmale Gestalt, lud sie sich auf die Arme und trug sie über den Hof zur Freitreppe. Der Brautschleier wehte ihnen nach.
    Auf der Treppe drehte sich Chlodwig noch einmal um und schrie: »Danke, Donar! Wir bleiben Freunde und Kampfgenossen!«
    Und wie zur Antwort blitzte und krachte es.
    Chlodwig trug seine Braut durch das Palastportal. Die Gäste beeilten sich, ihnen zu folgen. Schon prasselte Regen auf sie herab, und viele Damen erreichten nur mit ruinierten Frisuren und an ihren Körpern klebenden Gewändern die rettende Halle.
    Von einem feierlichen Einzug konnte nicht mehr die Rede sein. Alles drängte herein und staute sich in der Mitte zwischen den Tischreihen. Dazwischen stolperten Diener umher, die die Gäste noch nicht erwartet hatten und letzte Vorbereitungen für das Mahl trafen. Die Zeremonie hatte ja unter freiem Himmel stattfinden und eine Weile dauern sollen.
    Der Diakon Chundo erklärte die Störung durch das Unwetter anders als der König. »Hier ist der Teufel am Werk!«, presste er zwischen den Zähnen hervor, nachdem auch er mit einigen Glaubensbrüdern ins Trockene geflüchtet war. »Er ahnt das Wunder und will es verhindern. Aber das wird ihm nicht gelingen!«
    Es galt nun, rasch zu handeln, entsprechend den veränderten Umständen. Das Gewitter zog zwar vorüber, der Regen ließ nach, und die Sonne kam wieder heraus. Doch war der ungepflasterte Palasthof jetzt von Schlamm und Pfützen bedeckt, die Zeremonie musste in der Halle stattfinden.
    Der neue Schauplatz bot keine so günstigen Verstecke für die Vogelkörbe. Aber der hagere Diakon nutzte das Durcheinander, um seine Helfer hereinzulotsen. Niemand bemerkte, dass sie unter die Tische krochen, die zu diesem besonderen Anlass mit feinen, bis fast an den Fußboden reichenden Tüchern bedeckt waren. Nun war nur noch darauf zu achten, dass das Portal nicht geschlossen wurde, damit die gefiederten Boten hinausfanden.
    Chundo stellte sich vor, dass sie, in Freiheit gesetzt, sofort die Flügel breiten und schön gestaffelt hinaus und aus der Enge des Raums zum Himmel auffliegen würden – als mächtiger Schwarm, gerufen von der Stimme des Engels. Diesem musste noch schnell auf einer Galerie, wo er hinter Balustern alles beobachten konnte, ein neuer Platz für seinen Auftritt verschafft werden. Der arme Junge hatte sich auf dem zugigen Dachboden erkältet und hustete, versprach aber tapfer, seinen Einsatz nicht zu verpassen.
    Während
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