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Die Melodie des Todes (German Edition)

Die Melodie des Todes (German Edition)

Titel: Die Melodie des Todes (German Edition)
Autoren: Jørgen Brekke
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Ihr, was eine Defenestration ist, mein guter Engel?«, fragte Bayer ohne jede Vorwarnung.
    »Das will ich meinen«, antwortete er. »Wer hätte nicht von den Ungeheuerlichkeiten in Prag im letzten Jahrhundert gehört? Aber warum fragt Ihr mich das, verehrter Herr Polizeimeister?«
    »Bitte, lasst mich etwas später darauf zurückkommen.«
    »Wie Ihr wollt«, sagte Engel und lächelte verunsichert.
    Sein Gesichtsausdruck versteifte sich rasch, als Bayer den Metallgegenstand unter seinem Stuhl hervorzog. Es war eine sauber geschmiedete, gusseiserne Figur, ein Wetterhahn.
    »Kommt Euch das in irgendeiner Weise bekannt vor?«, fragte Bayer sanft und hielt die Figur hoch, damit Engel sie sehen konnte. Die Blässe seines Gesichts machte seinem Namen alle Ehre.
    »Wo habt Ihr diese Figur her?«, fragte Engel kühl.
    »Die war auf dem Hinterhof des Gutes Ringve vergraben. Ist das nicht seltsam?«
    Engel sah ihn mit finsterem Blick an.
    »Erlaubt mir, Euch eine Geschichte zu erzählen«, sagte Bayer. »Nennen wir sie meinen kleinen Traum.«
    Engel schwieg noch immer. Er beugte sich vor und goss sich aus der Karaffe etwas Wein ein. Dann räusperte er sich, bevor er sagte:
    »Ich hoffe, Eure Geschichte nimmt nicht zu viel meiner Zeit in Anspruch?«
    »Nein, es ist ein recht eindeutiger, präziser Traum. Und lang ist er auch nicht«, sagte Bayer und begann zu erzählen.
    »Ein Mann hatte einmal ein Vermögen, das in der Stadt, in der er wohnte, das der anderen bei Weitem übertraf. Er hatte auch zwei hübsche Töchter, aber keinen männlichen Erben, der seine blühenden Geschäfte übernehmen und das Familienunternehmen weiterführen konnte.
    Dieser Mann war verständlicherweise aufs Höchste darauf bedacht, seine Töchter standesgemäß zu verheiraten. Wer ihre Herzen gewann, würde schließlich zu dem Sohn avancieren, den er immer vermisst hatte, und später zum Verwalter seines gewaltigen Vermögens. Nun reist dieser Mann eines Tages gemeinsam mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern zu anderen hohen Herrschaften aufs Land, um einem Frühjahrsfest beizuwohnen. Es ist ein großes Fest, und Spielleute sind zur Unterhaltung der Gäste angeheuert worden. Die Stimmung ist so munter und ausgelassen, dass der vermögende Herr die Achtsamkeit, die er sonst für seine Töchter hegt, schleifen lässt, sodass die Ältere der beiden mit einem der Spielleute ins Gespräch kommen kann. Er ist ein armer, aber charmanter Ausländer, dem der Herrgott ein bildhübsches Gesicht gegeben hat. Die zwei verlassen das Fest und laufen über die blühenden Wiesen, die das Gut umgeben. Dort schenkt sie ihm ihre Blume, wie es in den Liedern so schön heißt.
    Tags darauf fährt der Herr mit seiner Familie wieder zurück in die Stadt, nichts ahnend von dem neuen Familienmitglied, das im Schoße seiner Tochter heranwächst.«
    An dieser Stelle hielt Bayer inne und sah zu Søren Engel hinüber. Sein Gesicht war noch immer blass und die Augen unvermindert dunkel. Seine Finger umklammerten den Stiel des Weinglases aber so fest, dass seine Knöchel weiß wurden. Bayer erkannte, dass er seine Geschichte schnell zu einem Ende bringen musste, bevor Engel explodierte und ihn vor die Tür setzte.
    »Erst einige Monate später kommt die Wahrheit ans Licht, und unter Druck gesteht die ältere Tochter ihre Sünde. Sofort wird beschlossen, sie fortzuschicken, um ihr Kind im Verborgenen zu bekommen. Aber selbst das reicht dem armen Familienvater nicht aus. Der Gedanke daran, dass ein heruntergekommener, armer Spielmann als Vater seines Enkels durch die Stadt streift, ist für ihn unerträglich. Er schließt deshalb einen Pakt mit seinem Freund auf dem Land. Gemeinsam laden sie den Spielmann noch einmal für einen angeblichen neuen Auftrag auf den Hof des Freundes ein. Als er dort eintrifft, bitten sie ihn in die Gaststube in der ersten Etage des Hauses und werfen ihn aus dem Fenster. Da haben wir den Fenstersturz, der in diesem Fall allerdings zu einer Fensterexekution geriet.
    Der arme Spielmann trifft im Sturz einen Wetterhahn, der etwas tiefer auf dem Dach über der Eingangstür befestigt ist, und wird von der Spitze des Wetterhahns aufgespießt. Der Wetterhahn ähnelt verblüffend dem, den ich vergraben im Hof des Guts Ringve gefunden habe. So ein Instrument verursacht eine große Eintrittswunde im Bauch des Opfers, aber nur eine winzige Austrittswunde an der Stelle, an der die Spitze des Wind messers die Haut am Rücken perforiert. So bleibt der Spielmann
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