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Die Melodie des Todes (German Edition)

Die Melodie des Todes (German Edition)

Titel: Die Melodie des Todes (German Edition)
Autoren: Jørgen Brekke
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hängen, bis er verblutet ist. Irgendwann bricht der Wetterhahn ab und der Spielmann fällt auf den Hofplatz, auf dem die beiden Männer bereits warten.
    Ich stelle mir vor, dass das alles spät abends passiert ist, nachdem die Knechte und Mägde zu Bett gegangen sind. Die zwei Mörder entschließen sich, die Leiche so weit wie möglich vom Tatort zu entfernen. Sie nehmen den Toten deshalb mit nach unten in die Ringvebucht, in der das neue Boot des Gutsbesitzers liegt, mit dem sie dann hinüber zum anderen Teil der Stadt segeln. Dort tragen sie ihn an Land, ohne Spuren zu hinterlassen. Es ist nicht mehr lang bis zum Morgengrauen, und schon in wenigen Stunden wird die nächste Flut einsetzen. Sie rechnen damit, dass der Tote von den Wellen gepackt und ins Meer gezogen wird. Um dem Salzwasser die Arbeit zu erleichtern, ziehen sie dem Toten die Kleider aus und werfen sie auf dem Rückweg ins Wasser. Letzteres tun sie vielleicht sogar, um den Toten noch weiter dafür zu demütigen, dass er sich an der Tochter des reichsten und mächtigsten Manns der Stadt vergriffen hat.«
    Bayer hielt inne und leerte sein Glas. Er wusste, dass es lange dauern würde, bis er jemals wieder Wein von einer solchen Qualität zu schmecken bekommen würde.
    »Was soll ich zu dieser Theorie sagen?«, fragte Søren Engel mit finsterer Stimme.
    »Nichts. Ihr braucht überhaupt nichts dazu zu sagen. Es war mir nur wichtig, sie jemandem zu erzählen, der mir bereit willig zuhört«, sagte Bayer.
    »Geht es um Geld? Wollt Ihr darauf hinaus?«
    »Nein, keineswegs. Ein Polizeimeister strebt nur nach Gerechtigkeit als Lohn für seine Arbeit.«
    »Und wie glaubt Ihr, in diesem Fall Gerechtigkeit finden zu können?«, fragte Engel. »Euch ist doch wohl klar, dass ich viel mächtiger bin, als Ihr Euch das in Eurem engen Hirn vorstellen könnt, auch wenn ich Euch wie einen Freund behandelt habe.«
    »Gerechtigkeit kann auf vielerlei Weise erlangt werden«, sagte Bayer. »Und manchmal muss man lange darauf warten. Aber ich bin ebenso geduldig wie Ihr reich.«
    »Dann solltet Ihr zum Warten lieber an einen anderen Ort gehen. Ihr habt keine Beweise, nichts, das gegen mein Wort und das der Zeugen, die meine Aussage stützen werden, ankommt.«
    »Sagte ich jemals, dass der Fall vor Gericht verhandelt werden soll? Ich sagte, dass die Gerechtigkeit zu jenen kommt, die zu warten in der Lage sind«, erwiderte Bayer und erwähnte den Zeugen, den er selbst hatte, nicht. Der Schwede, der dem Spielmann an jenem Abend bis zum Gut Ringve gefolgt war und der von einer Wiese außerhalb des Hofs alles gesehen hatte, würde auf dieser Seite des Grabes niemals in einem Ge richtssaal auftauchen, weshalb es so war, als gäbe es ihn gar nicht.
    Bayer stand auf und verbeugte sich. Das Herz klopfte wie wild in seiner Brust und ihm war schwindlig, er zwang sich aber trotzdem dazu, Søren Engels Blick ein letztes Mal zu er widern.
    Noch wusste er nicht, welche Gerechtigkeit dem über alle Maßen reichen Manne widerfahren würde. Wohl aber wusste er, dass die einzige Strafe, die er ihm erteilen konnte, die Worte waren, die er ihm gesagt hatte, und eben jener Blick. Wie reich dieser Mann auch sein mochte, Søren Engel musste mit dieser Tat leben, er musste es ertragen, dass sie ihn jede Nacht heimsuchte und seine Träume vergiftete.
    »Ich muss Euch bitten, mich nicht mehr hier in meinem Haus zu besuchen«, sagte Søren Engel, als der Polizeimeister den Raum verließ.
    Überraschend gut gelaunt lief Nils Bayer durch die Stadt in Richtung Hoppa . Dort grub er tief in seinen Taschen und holte ein paar Münzen hervor, die ihm durch den Tag helfen würden.
    Ingrid kam zu ihm und goss ihm sein Glas ein. Sie lächelten sich an wie gute alte Freunde, und sie verstand, dass er im Moment nicht reden wollte. Sie ließ ihn den ganzen Nachmittag über in Frieden, doch als der Abend kam, nahm sie eine Schale Rauchfleisch und Schinken und setzte sich zu ihm an den kleinen Tisch in der Ecke.
    »Du musst was essen, Polizeimeiser«, sagte sie freundlich und legte ihm die Hand auf die Schulter.
    Er lächelte sie matt an.
    »Ich esse, wenn du mich heiratest«, sagte er. Sie wussten beide, dass er das im Scherz sagte und doch jedes Wort ernst meinte.
    Dieses Mal sah sie ihn anders an als sonst.
    »Ich heirate dich an dem Tag, wenn du die Flasche weglegst. Ich bin mit einem Vater aufgewachsen, der Sklave des Branntweins war. Es war der Schnaps, der mein Elternhaus angezündet und mich zur Waise gemacht
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