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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst
Autoren: Guido Dieckmann
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weiterhin die Rächerin zu spielen.»
    «Ihr meint, sie verließ die Bluttöchter, weil ich unterwegs war?», fragte Henrika bewegt. Sie war ihrer Mutter also nicht gleichgültig gewesen; sie hatte sie geliebt.
    «Deinetwegen, aber auch um deines Vaters willen.»
    «Und wer war mein Vater?»
    Der Verdürenmacher begann unruhig in der Kammer umherzulaufen. Es quälte ihn, dass er die alten Geschichten ausgraben musste, aber Henrika fand keine Möglichkeit, es ihm zu ersparen. Sie wollte endlich die Wahrheit erfahren.
    «Maria hat uns nie verraten, mit wem sie eine heimliche Liebschaft unterhielt, aber ihre versteckten Andeutungen legen den Schluss nahe, dass dein Vater Spanier war.»
    «Ein Spanier?»
    «Vermutlich ein einfacher spanischer Soldat, den keine Schuld an den Gräueltaten traf, welche die Feldherrn des Königs in den niederländischen Provinzen anrichteten.»
    «Mit einem spanischen Geliebten wäre meine Mutter wohl endgültig als Verräterin abgestempelt worden», sagte Henrika nachdenklich. «Die Bluttöchter hätten sie ohne Gnade umgebracht, wenn sie nicht geflohen wäre.»
    Quinten Marx schnaubte. «Aber ihre feine Anführerin floh doch auch. Gleich nach der Eroberung Antwerpens verließ sie das Land, vermählte sich mit einem Edelmann, der nichts von ihrer Vergangenheit ahnte, und zog mit ihm an den Hof des Kurfürsten von der Pfalz, wo schon andere niederländische Adelige eine neue Heimat gefunden hatten. Sie gab vor, für den Freiheitskampf zu werben, aber in Wahrheit versuchte sie nur, ihre eigene Haut zu retten. Was Friedrich   IV. und sein Vater unternahmen, um die aufständischen Provinzen im Norden zu unterstützen, taten sie, weil sie wie deren Anführer dem calvinistischen Glauben anhingen. Sie ließen ja auch den Protestanten in Frankreich Hilfe zukommen, als diese um ihr Leben kämpften.»
    «Kennt Ihr auch den Namen des Edelmannes, mit dem sich diese Frau vermählte?»
    Quinten Marx nickte. «Barthel, der ein alter Freund und Bewunderer deiner Mutter war, hat es bald darauf herausgefunden. Der Mann hieß Heinrich von Neufeld.»
    Von Neufeld. Henrika starrte ihren Onkel an, als habe sie ein Blitz getroffen. Allmählich lichtete sich der Nebel in ihrem Kopf. Anna von Neufeld war die Tochter der letzten dulle Griet , der Anführerin einer ketzerischen Geheimsekte in Flandern. Sie begriff, dass die ehrgeizige Anna es nicht zulassen konnte, dass dieses Geheimnis jemals an die Öffentlichkeit drang. Barthel hatte sie als Ersten mundtot gemacht. Nun waren Henrika und ihr Onkel an der Reihe. Als sie den Verdürenmacher mit ihrem Verdacht konfrontierte, zuckte er nur mit den Achseln und sagte: «Das mag ein Grund sein, warum sie es auf dich abgesehen hat, aber ich könnte dir noch einen weiteren nennen.»
    «Ihr spielt auf ihre Bemerkung von vorhin an. Offensichtlich ist Anna der Meinung, meine Mutter habe ihrer Mutter etwas gestohlen. Aber was kann das sein? Dieses Gut etwa?»
    «Das Landgut am See gehörte Maria. Es stammte aus dem Vermächtnis unserer Großmutter, die jedes ihrer Enkelkinder großzügig bedachte. Aber Maria musste das Land verpfänden, ich vermute, auf Druck ihrer Anführerin. Die Bluttöchter brauchten immerzu Geld, um Waffen, Pulver, Proviant und Pferde zu kaufen oder um die Bauern zu bestechen, damit die wegschauten, wenn eine Schar dunkel gekleideter Frauen nachts durch die Dörfer oder um die Garnisonen herumschlich. Maria rechnete nicht damit, dass das Landgut, das sie so liebte, ausgerechnet in den Besitz der edlen Dame von Neufeld übergehen würde. Ich kann mich noch erinnern, wie wütend sie war, als sie davon erfuhr. Vermutlich gelang es Barthel erst viel später in Heidelberg durchzusetzen, dass du, als Marias Tochter, das Haus und den See als dein rechtmäßiges Erbgut zurückbekommst. Soviel ich weiß, ist die alte Gräfin von Neufeld nicht mehr ganz bei Sinnen. Der Wahnsinn, dem sie sich in ihrer Jugend aus purem Fanatismus hingab, hat sie zuletzt doch noch eingeholt.»
    Henrika hauchte sich in die Hände, um sie etwas zu wärmen. In der Kammer wurde es immer kälter. Und dunkler. Der Regen hatte noch nicht nachgelassen, im Gegenteil, er schien stärker zu werden.
    Sie lief zu dem schmalen Fenster und versuchte durch die Gitterstäbe ein Stück vom Himmel zu erhaschen. Dort draußen, irgendwo hinter dem trüben Schleier aus Regen und Wind, musste der grüne See liegen, den sie im Traum so oft gesehen hatte.
    Es gab ihn also wirklich, er existierte nicht nur in
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