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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst
Autoren: Guido Dieckmann
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hielt.
    «Wir folgten Eurer Spur, aber auch der des Mannes, der mich hier einsperrte. Er ist einer von Meister Carolus’ Druckern. Das heißt, er war es, denn wie die Dinge liegen, wird er gewiss keinen Fuß mehr nach Straßburg setzen.» Sie machte einen Schritt auf den Verdürenmacher zu. Im Unterschied zu ihrer Tante Katharine machte ihr Onkel einen äußerst wortkargen Eindruck. Er sah aus, als bliebe er mit seinen Gedanken am liebsten für sich.
    «Ich besaß Briefe, die mein früherer Dienstherr Barthel Janson Euch geschrieben hat», sagte sie. «Ich konnte sie weder lesen noch jemandem zeigen, denn er erwähnte die Bluttöchter im Zusammenhang mit meinem Namen. Leider kann ich Euch die Briefe nicht mehr übergeben. Wie ich bereits einem Ratsherrn in Straßburg sagte, wurden sie vernichtet.»
    «Ratsherr Zorn?» Der Verdürenmacher seufzte. Dann deutete er auf einen Hocker und bat Henrika, sich zu setzen, während er selbst am Fenster stehen blieb.
    «Zorn ist ein Politiker und Handelsmann. Er wollte dir sicher nicht schaden, aber zum Wohl seiner Stadt und des Namens seiner Familie musste er dafür sorgen, dass nicht bekannt wird, in welche Unternehmungen sein Vater vor zwanzig Jahren verwickelt war. Ich nehme an, er half dir dennoch, nach Flandern zu kommen.»
    Henrika war verwirrt. «Nun ja, er stellte David die finanziellen Mittel zur Verfügung, aber …»
    Quinten Marx drehte sich um. Seine breiten Schultern bebten leicht, was in Henrika die Vermutung weckte, dass die Erinnerung an längst verdrängt geglaubte Ereignisse ihm zusetzten.
    «Wollt Ihr mir nicht endlich erklären, wer meine Mutter war und wer sie mit dem Schandmal gezeichnet hat? Bitte, Onkel, Ihr müsst Euer Schweigen brechen, ehe es zu spät ist. Die Frau, die uns hier einsperren ließ, ist gefährlich. Sie behauptet, ich sei eine wohlhabende Erbin und meine Mutter eine Diebin.» Sie sprang auf und legte ihre Hand auf die Schulter ihres Onkels. «Ich beschwöre Euch bei der Heiligen Jungfrau, der Ihr und die Tante ergeben seid, sagt mir, was Barthel mir verschwieg.»
    Er wandte sich um, doch anstatt sie anzusehen, starrte er an einen Wasserfleck an der Wand der Kammer. «Es gibt ein altes Gemälde, das von der Hand eines flämischen Landsmannes namens Pieter Bruegel stammt», begann er zu erzählen. «Es zeigt eine Frau, die mit Helm und Harnisch versehen durch ein Kriegsgetümmel schreitet. Sie ist die Herrin einer Schar Weiber, die gegen Dämonen und furchteinflößende Unholde kämpft.»
    «Die dulle Griet und ihre Anhängerinnen», entfuhr es Henrika.
    Quinten Marx zuckte überrascht zusammen. «Du kennst ihre Geschichte?»
    «Ich hatte bereits das Vergnügen, der tollen Grete Aug in Aug gegenüberzustehen, aber das tut nichts zur Sache. Wer war die dulle Griet wirklich?»
    «Es gab nicht nur eine Anführerin. Im Laufe der Jahre wählte man immer wieder neue, dennoch entstand der Mythos, dieses Weib sei unsterblich und würde so lange mit ihrem irren Blick durchs Land ziehen, bis die Spanier geschlagen seien. Doch es sollte ganz anders kommen. Die südlichen Provinzen entschieden sich vor etwa dreißig Jahren mehrheitlich dafür, im Reich zu verbleiben und Spaniens Oberhoheit anzuerkennen. Dafür wurden ihnen großzügige Privilegien zugesprochen. Es gab sogar manche Flamen, die anfingen, die Spanier im Land nicht nur als Ungeheuer und Tyrannen zu sehen. Zu ihnen gehörte auch deine Mutter.»
    «Aber sie war eine Bluttochter?»
    Der Verdürenmacher nickte. «Sie hat einige Jahre lang an der Seite der dulle Griet gekämpft. Gemeinsam verübten sie Anschläge auf spanische Soldaten, die flämische Dörfer geplündert oder Menschen misshandelt hatten. Niemand ahnte, dass sie zu den Bluttöchtern gehörte, selbst ihre eigene Familie nicht. Maria war klein, zierlich und sanft. Kein Mensch wäre auf den Gedanken gekommen, sie zu verdächtigen. Aber dann, von einem Tag auf den nächsten, muss sie sich dazu entschieden haben, den Bund zu verlassen. Das war gefährlich, denn die Bluttöchter bestraften Verrat mit dem Tode. Die damalige dulle Griet wird sich die Zunge wund geredet haben, um deine Mutter zu überreden, aber sie wollte nicht hören. Wochenlang schloss sie sich in ihrem Schlafgemach ein und kam selbst dann nicht heraus, wenn nachts Frauen mit Fackeln und in schwarzen Umhängen vor der Tür standen, um sie zu holen. Ich ahnte damals schon, dass sie ein Kind erwartete, und vermutete, dass sie diesem zuliebe darauf verzichten wollte,
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