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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman
Autoren: Wolf Serno
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gut. Ich würde dich sogar verstehen, wenn du gar nicht sprächest.«
    »Du bist ein guter Mensch.«
    Er drohte scherzhaft mit dem Finger. »Du wiederholst dich. Wenn ich das noch einmal höre, komme ich nie wieder.
Arrivederci,
Maria!«
    Im Herbst kam er wieder und überraschte mich im Bett. Ich hatte mich hingelegt, denn die tägliche Arbeit zehrte zusehends an meinen Kräften. »
Buongiorno,
Maria!«, rief er. »Ich dachte schon, du wärst nicht da.«
    »Ich bin immer da«, antwortete ich. Und fragte mich, ob mein Hörvermögen ebenfalls schon nachließe.
    »Ich habe das Übliche dabei, diesmal auch ein paar Eier. Wenn sie dir schmecken, könnte ich dir beim nächsten Mal auch ein oder zwei Hühner und einen Hahn mitbringen.« Er lachte. »Hoffentlich denke ich dran. Aber wenn ich sie vergesse, bringe ich sie eben beim übernächsten Mal mit. Was man nicht im Kopf hat …
Chi non ha testa ha gambe!
«
    »Ja«, sagte ich und dachte daran, dass mir das Gehen immer mehr Mühe bereitete.
    Wie immer plauderten wir ein oder zwei Stunden, er berichtete vom neuesten Klatsch in San Martino, Forcella und Casali, und ich stellte wieder einmal fest, dass der neueste Klatsch sich in nichts von dem alten unterschied.
    »
Arrivederci,
Maria, Gott befohlen.«
    »
Arrivederci,
Tasco.«
     
    Beim nächsten Mal wollte es der Zufall, dass ich abermals im Bett lag, obwohl ich mich an jenem Tag recht wohl fühlte. Es war ein frischer Tag im Spätherbst, und den Geräuschen nach hatte er mir das erbetene Scheitholz mitgebracht und zündete nun ein Feuer an.
    »Tasco!«, rief ich in Richtung Felsendom. »Es geht mir heute etwas besser. Warte, ich komme und helfe dir.« Ich kroch aus dem Bett, warf mir eine wärmende Jacke über und strebte mit kleinen Schritten zur Feuerstelle. »Du bist eine treue Seele, Tasco«, sagte ich. »Dass du ein guter Mensch bist, darf ich ja nicht mehr sagen, also sage ich, du bist eine treue Seele und …«
    Ich hielt inne, denn zu meiner Verblüffung war es nicht Tasco, der vor mir stand.
    Es war Latif.

Das Siegel
    Il sigillo
    ch musste umgefallen sein, denn als ich erwachte, lag ich wieder in meinem Bett, und Latif stand neben mir und füllte einen Becher mit Wasser. »Wache ich oder träume ich?«, flüsterte ich. »Bist du es wirklich?«
    Er reichte mir den Becher, und ich sah, dass kein Zweifel bestehen konnte. Er war es, wenn auch nochmals um einiges schlanker geworden. »Trink das«, sagte er. »Ich werde in Zukunft ›du‹ zu dir sagen und dich ›Maria‹ nennen, denn ich bin nicht mehr dein Diener.«
    Ich hatte mich mit Mühe aufgerichtet und trank einen Schluck. Noch immer konnte ich kaum glauben, dass er wieder da war. »Ich habe dich sehr verletzt«, sagte ich nach einer Weile. »Wie sehr, ist mir erst hinterher richtig klargeworden. Warum bist du zurückgekommen?«
    »Weil du mich brauchst.«
    Ich trank einen weiteren Schluck und wollte den Becher mit zitternder Hand abstellen, aber Latif nahm ihn mir aus der Hand. »Ich habe deine Gefühle mit Füßen getreten. Ich habe mich dafür geschämt. Es tut mir so leid.«
    »Sprechen wir nicht mehr davon.«
    Ich begann zu weinen.
    »Weine nicht, ich bin ja wieder da.«
    »Ja«, sagte ich schniefend, »ich glaube, ich habe es eben erst wirklich begriffen.«
     
    Nachdem Latif zu mir zurückgekehrt war, schien alles wieder wie früher zu sein, und doch war es anders. Er begegnete mir nach wie vor mit Respekt, aber mit größerer Distanz. Gerne hätte ich ihn auf seine Unnahbarkeit angesprochen, aber ich wagte es nicht, aus Angst, ich könnte ihn vor den Kopf stoßen. So blieb unser Verhältnis ziemlich kühl, obwohl er alles für mich tat, was vonnöten war. Er umgab mich mit großer Fürsorge, kochte Mahlzeiten mit der ihm eigenen Unzulänglichkeit, kümmerte sich um das Feuer, hielt die Gerätschaften instand und fütterte die Ziegen.
    Als ein paar Tage ins Land gegangen waren, fragte ich ihn: »Woher wusstest du eigentlich, dass ich dich brauche?«
    »Von Tasco. Ich traf ihn, und er erzählte mir, dass du an Schüttellähmung leidest. Ich wusste nicht, wie schlimm die Krankheit ist, aber als er es mir erklärte, drang die Nachricht tief in mein Herz. Ich rollte mehrere Tage meinen Teppich aus, bis Allah, der Alleswissende, der Allessehende, mir deutlich gemacht hatte, dass Menschlichkeit und Barmherzigkeit wichtiger sind als verletzter Stolz. So bin ich gekommen.«
    Ich saß ihm gegenüber am Feuer und sah ihn an. Sein Gesicht wirkte ernst. Das
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