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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman
Autoren: Wolf Serno
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machte ihn interessant, aber auch fremd. »Wo hast du Tasco getroffen?«, fragte ich.
    »In Spoleto, im Umbrischen.«
    »Spoleto? Das ist weit weg. Das liegt doch gar nicht auf Tascos Strecke?«
    »Nein. Er besuchte eine alte Tante. Allah wollte es, dass unsere Wege sich dort kreuzten.«
    »Aber was hast du in Spoleto gemacht?«
    »Du fragst viel, Maria.«
    »Willst du es mir nicht sagen?«
    Latif legte Holz nach, denn der Winter war mit Macht zu uns in die Berge gezogen. »Ich habe einem Herrn gedient, denn etwas anderes als dienen habe ich nicht gelernt. Der Herr war ein Feigling, der bei Höhergestellten katzbuckelte, doch zu Hause seine Frau schlug. Ich vertrug mich schlecht mit ihm, denn er las in meinem Gesicht, dass ich sein Verhalten missbilligte.«
    »Und was hat dich nach Spoleto verschlagen?«
    »Die Nera, wenn du so willst. Ich bin einfach an ihr entlangmarschiert, immer am Ufer, um mich nicht zu verlaufen. Mehrere Wochen war ich unterwegs, bis ich nach Spoleto kam. Es ist eine Kleinstadt mit allem, was eine Kleinstadt ausmacht. Kirche, Markt und Friedhof. Ein paar Handwerker. Sogar einen Buchhändler gibt es dort. Er bot etwas feil, das dich vielleicht interessieren wird.« Latif erhob sich, ging hinüber in seine Höhle und kam mit einem in Pergament gehüllten Paket zurück. »Das ist für dich.«
    Ich nahm das Paket entgegen und wog es neugierig in den Händen. »Da du es von einem Buchhändler hast, wird es sich um ein Buch handeln.«
    »Du hast es erraten.« Ein Funke alter Verschmitztheit blitzte in seinem Gesicht auf.
    Ich entfernte das Pergament und erwartete, den Titel lesen zu können, aber das Buch war nochmals eingeschlagen. Diesmal in schweres Papier, das mit einem rotglänzenden Siegel verschlossen war.
    »Brich es auf, Maria.«
    Ich betrachtete das Siegel, schüttelte ungläubig den Kopf und sah näher hin. Ein Zweifel war ausgeschlossen. Es war das Siegel von Gaspare Tagliacozzi. Es zeigte einen Kranz von Lilien, jener Blumen, die auch ein Merkmal seines Wappens waren.
    Latif sagte: »Das Buch ist von dem schändlichen Mann, der abtreiben lassen wollte. Trotzdem soll es ein großartiges medizinisches Werk sein.«
    »Danke.« Meine Hand begann zu zittern.
    »Quält dich die Schüttellähmung wieder?«
    »Ja«, sagte ich, obwohl das Zittern eine andere Ursache hatte. »Nimm es mir nicht übel, aber ich möchte das Buch jetzt nicht ansehen. Vielleicht später, wenn es mir etwas bessergeht.«
    »Vielleicht hätte ich es dir nicht mitbringen sollen, aber ich dachte, du seist über die Sache mit dem schändlichen Mann hinweg?«
    Ich antwortete nicht.
    Schweigend nahm Latif das Buch und legte es zur Seite. »Ich bin dir nicht böse, wenn du es nicht lesen willst. Vielleicht hätte ich es gar nicht mitbringen sollen.«
    »Doch, doch, ich freue mich sehr.«
    »Du freust dich nicht.«
    »Woher willst du das wissen?«
    Latif schaute mich an. »Woher? Immerhin war ich fast zwanzig Jahre lang dein Diener.«
    »Und was bist du jetzt?« Gespannt wartete ich auf seine Antwort.
    Er ließ sich Zeit. Dann sagte er: »Einer, der sich um dich kümmert.«
    »Natürlich«, sagte ich und fühlte einen Stich der Enttäuschung.
     
    Der Winter kam mir weniger hart vor als der vorherige, aber vielleicht lag das an Latif und seiner Gesellschaft. Er tat alles, um mich zu schonen, manchmal sogar mehr, als mir lieb war, denn bei Schüttellähmung ist es wichtig, die Muskeln in Übung zu halten. Als der Frühling kam, sagte ich zu ihm: »Die wärmeren Temperaturen tun mir gut. Ich will wieder Arbeiten übernehmen. Lass mich die Ziegen versorgen; ihnen ist es gleich, ob die Hand, die ihnen das Futter gibt, zittert oder nicht.«
    »Meinst du wirklich, du schaffst das?«
    »Wenn ich es nicht versuche, werden wir es nicht erfahren.«
    Latif blickte von seiner Zimmermannsarbeit auf. »Ich würde dir gern den Zimtrosentrank zubereiten, aber ich habe keine Zimtrosen.«
    Sein Angebot rührte mich, ich sagte: »Ich werde die Ziegen auch ohne Zimtrosentrank satt bekommen. Und wenn ich das geschafft habe, schaffe ich vielleicht auch mehr.«
    Latif schüttelte den Kopf. Er baute auf dem Vorplatz den Pflug um, weil er ihn fortan allein ziehen musste. »Übernimm dich nicht, Maria. Allah hat mir Kraft für zwei gegeben. Mach nur das, was du dir wirklich zutraust.«
    »Nun gut, ich verspreche es.«
    »Ich habe eine Idee, Maria.«
    »Eine Idee, was für eine Idee?«
    »Sie geistert mir schon einige Tage im Kopf herum. Warte einen
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