Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mausefalle

Die Mausefalle

Titel: Die Mausefalle
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
federleichte Flocken fielen ihr auf die imprägnierten Schultern und die blonden Locken. Die Wettervorhersagen hatten äußerst trostlos geklungen. Mit heftigen Schneefällen war zu rechnen.
    Sie hoffte inständig, dass die Rohre nicht einfrieren würden. Es wäre nicht schön, wenn gleich zu Anfang alles schief ginge. Sie sah auf ihre Uhr. Teezeit war schon vorbei. Ob Giles schon zurück war? Ob er sich fragte, wo sie wohl war?
    »Ich musste noch mal ins Dorf wegen etwas, das ich vergessen hatte«, würde sie sagen. Und er würde lachen: »Noch mehr Büchsen?«
    Büchsen waren ihr Dauerscherz. Sie hielten ständig Ausschau nach Konservenbüchsen. Inzwischen war die Speisekammer recht gut gefüllt für alle Notfälle.
    Und Notfälle, dachte Molly und verzog das Gesicht, während sie nach oben in den Himmel sah, schienen ja wohl bald anzustehen.
    Das Haus war leer. Giles war noch nicht zurück. Molly ging zuerst in die Küche, dann nach oben, wo sie die Runde durch die frisch bereiteten Zimmer machte. Mrs Boyle käme ins Südzimmer mit den Mahagonimöbeln und dem Himmelbett, Major Metcalf ins blaue Zimmer mit den Eichenmöbeln, Mr Wren ins Ostzimmer mit dem Erkerfenster. Alle Gästezimmer sahen sehr schön aus – und was für ein Segen, dass Tante Katherine so einen herrlichen Vorrat an Weißwäsche besessen hatte. Molly klopfte eine Steppdecke zurecht und ging wieder nach unten. Es war jetzt fast dunkel. Das Haus kam ihr plötzlich sehr still und leer vor. Es war überhaupt ein einsames Haus, zwei Meilen entfernt vom nächsten Dorf, zwei Meilen weit von übe r all, wie Molly es nannte.
    Sie war schon öfter allein in diesem Haus gewesen – aber nie zuvor war ihr das Alleinsein so bewusst geworden.
    Das Schneegestöber schlug sanft gegen die Fensterscheiben. Es war ein wisperndes, unbehagliches Geräusch. Wenn Giles nun nicht mehr zurückfahren konnte – wenn der Schnee schon so hoch lag, dass der Wagen nicht mehr durchkam? Wenn sie hier jetzt allein bleiben musste – tagelang allein vielleicht.
    Sie sah sich in der Küche um – die war groß und gemütlich und schrie geradezu nach einer großen, gemütlichen Köchin, die am Küchentisch den Vorsitz führte und mit rhythmisch mahlendem Unterkiefer Rosinenbrötchen aß und dazu Schwarztee trank. Und eigentlich hätte auf der einen Seite eine hoch gewachsene, ältere Haushälterin, auf der anderen ein rundliches, rosiges Stubenmädchen und am unteren Ende des Tisches, eine Küchenhilfe sitzen müssen, die die anderen aus ängstlichen Augen anstarrte. Doch nur sie war hier, Molly Davis, in einer Rolle, in die sie sich noch nicht richtig hineingefunden hatte. Ihr ganzes Leben schien ihr im Augenblick unwirklich – Giles schien unwirklich. Sie spielte eine Rolle – spielte einfach ein Stück Theater.
    Ein Schatten ging am Fenster vorbei, und sie fuhr zusammen – ein fremder Mann kam jetzt durch den Schnee heran. Sie hörte die Seitentür klappern. Der Fremde stand auf einmal in der offenen Tür, schüttelte sich den Schnee ab, ein fremder Mann, der in das Haus trat.
    Und dann, ganz plötzlich, war das Trugbild weg.
    »Ach, Giles«, rief sie. »Ich bin ja so froh, dass du wieder da bist!«
     
     
    2
    »Hallo, Schatz! Was für ‘n Dreckwetter! Gott, ich bin erfroren.«
    Er stampfte mit den Füßen ein paar Mal auf und pustete sich in die Hände.
    Automatisch nahm Molly den Mantel, den er nach Giles’scher Manier auf die Eichentruhe geworfen hatte, hoch. Sie hängte ihn auf einen Bügel und zog einen Wollschal, eine Zeitung, ein Bindfadenknäuel und die Post vom Morgen aus den Taschen, in die er alles einfach hineingestopft hatte. Dann ging sie in die Küche, legte die Sachen auf die Anrichte und stellte den Wasserkessel auf den Gasherd.
    »Hast du den Maschendraht gekriegt?«, fragte sie. »Du warst ja ewig weg.«
    »War nicht der Richtige. Hätte uns nichts genützt. Ich war noch in einem anderen Lager, aber da gab’s auch keinen brauchbaren. Was hast du denn so getrieben? Noch keiner aufgetaucht hier, was?«
    »Mrs Boyle kommt ja sowieso erst morgen.«
    »Major Metcalf und Mr Wren sollten aber heute kommen.«
    »Major Metcalf hat eine Karte geschickt, er trifft erst morgen ein.«
    »Dann bleibt uns zum Abendessen ja nur Mr Wren. Was glaubst du, was das für einer ist? Pensionierter Staatsdiener von der korrekten Sorte, stelle ich mir vor.«
    »Nein, ich glaube, der ist Künstler.«
    »Tja, dann«, sagte Giles, »sollten wir uns lieber eine Woche im Voraus
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher