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Die Mausefalle

Die Mausefalle

Titel: Die Mausefalle
Autoren: Agatha Christie
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einer Windbö herein. Alles, was Molly von der Bibliothekstür aus von dem Neuankömmling sehen konnte, war sein Schattenriss vor der weißen Fläche draußen.
    Wie ähnlich die Männer sich alle sehen, dachte Molly, in ihrer Zivilisationsuniform: dunkler Mantel, grauer Hut, Wollschal um den Hals.
    Im nächsten Augenblick hatte Giles die Tür zu- und damit die Elemente ausgesperrt. Mr Wren wickelte sich den Schal ab und stellte den Koffer hin und riss den Hut vom Kopf – alles anscheinend gleichzeitig, wobei er unaufhörlich redete.
    Er hatte eine hohe, fast greinende Stimme und entpuppte sich jetzt im Licht der Flurlampe als ein junger Mann mit einem sonnengebleichten Haarschopf und ruhelosen hellen Augen.
    »Einfach zu furchtbar«, sagte er. »Der englische Winter, wie er schlimmer nicht sein könnte – ein Rückfall in Dickens’ Welt – Scrooge und Tiny Tim und das ganze Zeug. Da musste man furchtbar gesund sein, um das alles auszuhalten. Finden Sie nicht? Und ich habe eine schreckliche Reiserei hinter mir, aus Wales quer durchs halbe Land. Sind Sie Mrs Davis? Ach, wie entzückend!« Er riss Mollys Hand an sich und drückte sie heftig und knochenhart. »Ganz anders, als ich Sie mir vorgestellt hatte. Ich hatte mir nämlich ausgemalt, Sie sind Generalswitwe, früher in Indien stationiert. Ganz beinhart und memsahi bmäßig – Benares und was weiß ich – also richtig viktorianisch und so. Himmlisch, einfach himmlisch! Haben Sie etwa auch Wachsblumen? Paradiesvögel? Ach, ich wohne bestimmt liebend gern hier. Ich hatte ja ein bisschen Angst, es könnte doch zu altertümlich sein – zu sehr Herrenhaus – ohne Benares-Blech natürlich. Aber das hier ist ja fabelhaft – echt viktorianische Grundsolidität. Sagen Sie mal, haben Sie etwa auch so ein wunderschönes Büfett – aus Mahagoni – aber dieses rote Mahagoni, mit den geschnitzten Früchten?«
    »So etwas«, Molly hatte sein Wortschwall fast den Atem verschlagen, »haben wir allerdings.«
    »Nein! Dürfte ich das mal sehen? Sofort. Hier drin?«
    Seine Geschwindigkeit hatte etwas Überfallartiges. Schon drehte er am Knauf der Esszimmertür und schaltete das Licht an. Molly lief hinter ihm her und sah sehr wohl, dass Giles links neben ihr das Gesicht missbilligend verzog.
    Mr Wren ließ seine knochigen langen Finger – mit kleinen Schreien des Entzückens – über das reiche Schnitzwerk des massiven Mahagonibüfetts gleiten. Dann drehte er sich um und sah seine Wirtin vorwurfsvoll an. »Kein großer Esstisch aus Mahagoni? Bloß so verstreute Tischchen überall?«
    »Wir dachten, die Leute mögen es lieber so«, sagte Molly.
    »Aber natürlich, meine Liebe. Sie haben ja völlig Recht. Ich war einfach im Banne meines Faibles für Stilmöbel. Wenn Sie die Art Tisch hätten, müssten Sie natürlich auch die entsprechende Familie drumrum haben. Strenger, schmucker Vater mit Bart, fruchtbare, welke Mutter, elf Kinder, eine herbe Gouvernante und dann dieses Wesen, das immer ›die arme Harriet‹ heißt – eine verarmte Verwandte, die Mädchen für alles spielt und ach so dankbar ist, dass man ihr ein warmes Nest gewährt. Sieh an, der Feuerrost – man denkt doch gleich an Flammen, wie sie den Kamin hinaufzüngeln, und sofort sieht man die arme Harriet, die gezähmte Glut.«
    »Ich bringe jetzt Ihren Koffer rauf«, sagte Giles. »Ostzimmer?«
    »Ja«, sagte Molly.
    Mr Wren kam in den Flur zurückgehüpft, als Giles die Treppe hinaufstieg.
    »Hat das etwa auch ein Himmelbett mit Chintzröschen?«
    »Nein, hat es nicht«, knurrte Giles, bevor er hinter der Biegung des Geländers verschwand.
    »Ich glaube, Ihr Mann mag mich nicht leiden«, sagte Mr Wren. »Wo hat er denn gedient? In der Marine?«
    »Ja.«
    »Das dachte ich mir. Man ist dort viel weniger tolerant als bei der Armee und bei der Luftwaffe. Wie lange sind Sie denn schon verheiratet? Sind Sie sehr in ihn verliebt?«
    »Vielleicht möchten Sie jetzt auch nach oben gehen und Ihr Zimmer ansehen?«
    »Ja, natürlich, die Frage war unverschämt. Aber ich wollte das wirklich bloß wissen. Ich meine, ist doch interessant, alles Mögliche über andere Leute zu erfahren, finden Sie nicht? Wie die so fühlen und denken, meine ich, nicht bloß, wer sie sind und was sie machen.«
    »Ich nehme an«, gab Molly spröde zurück, »Sie sind wohl Mr Wren?«
    Der junge Mann blieb ruckartig stehen und raufte sich mit beiden Händen die Haare. »Ach, wie furchtbar – ich mache immer alles in der falschen Reihenfolge.
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