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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin
Autoren: Lea Korte
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Jaime ihr entgegen. »Unsere Vorräte schwinden, obwohl sich schon lange niemand von uns mehr satt gegessen hat. Schau dir doch die Kinder an: Chalida ist spindeldürr, und Abdarrahman und Yayah sehen kaum besser aus. Wir haben keine andere Wahl, als das Unmögliche zu wagen!«
    »Das kann niemals gutgehen«, hauchte Deborah. »Das spüre ich!«
    »Wenn wir nichts unternehmen«, widersprach Raschid ihr, »ist das unser Ende!«
    »Wessen Idee ist dieser verrückte Plan eigentlich?«, fragte Zahra dazwischen. »Yazids?«
    Raschid und Jaime sahen einander an.
    »Also war es Yazids Idee«, donnerte Zahra weiter und wollte schon hinaus zu ihrem Halbbruder stürmen, doch Jaime hielt sie zurück. »Zahra, es war deine Entscheidung, nicht von hier wegzugehen, als wir noch hätten weggehen können, und ich habe sie hingenommen. Dann sei jetzt auch mutig genug, die Folgen zu tragen. Wenn wir diesen Anschlag nicht wagen, werden wir wie die Menschen Málagas enden. Und statt Yazid zu verfluchen, solltest du lieber froh sein, dass er diese Idee gehabt hat!«
    »Soll ich ihm vielleicht auch noch dafür danken, dass er dich und meinen Bruder ins offene Messer jagt? Und wo ist er eigentlich in diesem Spiel? Auf der Festungsmauer, um zuzusehen, wie ihr umkommt?«
    »Nein, er wird mit uns gehen«, erwiderte Jaime ruhig.
    »Aber es muss doch noch einen anderen Weg geben!«, begehrte Zahra verzweifelt auf.
    Jaime zog sie an seine Brust, und wie immer machte seine körperliche Nähe sie wehrlos und schwach. »Bitte, Jaime, sag mir, dass es noch einen anderen Weg gibt«, flehte sie kläglich. Doch ihr Geliebter schüttelte den Kopf.
     
    In der Abenddämmerung gingen Jaime, Raschid und Yazid aus dem Haus, verfolgt von den angstvollen Blicken der Frauen. Zwei Stunden später verließen sie die Stadt, eine berittene Truppe von annähernd hundert Mann hinter sich, von denen jeder Einzelne zu den besten Kämpfern der Stadt zählte. Kein Laut außer dem Hufaufschlag und einem gelegentlichen Schnauben der Pferde war zu hören; der Sichelmond leuchtete ihnen den Weg. Jaime hatte sich in den letzten Tagen mehrmals in christlicher Kleidung bis nah an das feindliche Lager herangewagt und herausgefunden, dass die linke Flanke des Lagers weniger stark bewacht war und zugleich den kürzesten Weg zum Zelt der Königin bot. Mit Gesten machte Jaime den anderen deutlich, dass sie sich noch weiter links halten mussten. Bald darauf sahen sie in der Ferne die Öllampen der christlichen Wachen in der Nacht schimmern. Die Haupttruppe bewegte sich weiter in Richtung Wald, um dort auf ein Zeichen zu warten, während Jaime, Raschid und Yazid, in christliche Kleider gehüllt und die Pferde nach christlicher Art aufgezäumt, weiter auf das Lager zuhielten.
    »Halt, wer da?«, rief bald darauf eine der Wachen, trat ein Stück vor und hob die Lampe höher.
    »Wir haben uns ein wenig die Zeit vertrieben«, rief Jaime ihm auf Spanisch zu.
    »Nachts darf niemand das Lager verlassen«, gab dieser misstrauisch zurück.
    Jaime, Raschid und Yazid stiegen von ihren Pferden ab und gingen gemächlich auf die beiden Wächter zu.
    »Jetzt gib dich nicht moralischer als Torquemada«, sagte Jaime. »Wir hatten Appetit auf einen drallen Frauenleib. Nachts schleichen immer mal wieder Maurinnen aus Granada heraus, um im Fluss frisches Wasser zu schöpfen, und wir wollten uns bei einer von ihnen erleichtern.« Er lachte kehlig auf. »Nebenbei bemerkt: Sie war herrlich warm und feucht!«
    Inzwischen waren sie nah an die beiden Wachen herangetreten. Auch der zweite Wächter hob ihnen nun die Lampe entgegen. Er konnte nicht anzweifeln, dass sie Kastilier waren, zumal Yazid ein Stück hinter Raschid und Jaime zurückgeblieben war. Nur einen Atemzug später machte Jaime Raschid das vereinbarte Zeichen, und die Klingen ihrer Dolche fuhren blitzschnell durch die Kehlen der Wächter. Nichts als ein leises, verebbendes Gurgeln schlich sich in die Stille der Nacht.
    Jaime nickte Yazid zu, woraufhin dieser nun ebenfalls seinen Dolch zog und ihm und Raschid ins Lager der Christen folgte.
     
    Die drei hatten sich fast bis zu den königlichen Zelten vorgearbeitet, als ihnen ein alter Soldat, der seine Blase erleichterte, hinterherrief: »He, wo wollt ihr hin?«
    Jaime erstarrte vor Schreck. Er kannte die Stimme und wusste, der Soldat würde auch ihn erkennen, wenn er ihn aus der Nähe sah. Er machte seinen Gefährten ein Zeichen, und sie stürzten sich gleichzeitig auf den Mann und töteten ihn
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