Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin
Autoren: Lea Korte
Vom Netzwerk:
ein Trost sein, dass dies genau der Tod war, den Yazid sich gewünscht hat? Und seien wir ehrlich: In dem Leben, das nun auf uns zukommt, hätte er niemals seinen Platz finden können.«
    »Und werden wir ihn finden – diesen neuen Platz?«, fragte Zahra. Jaime zuckte mit den Achseln. Vor ihnen lag nur noch Ungewissheit, und nach ihrem Fehlschlag im christlichen Lager war ihre Lage hoffnungsloser denn je.
    »Vielleicht hätten wir doch beizeiten von hier weggehen sollen«, raunte Zahra zerknirscht.
    »Ach Zahra, hätte, wenn und aber! Und wenn wir wirklich weggegangen wären, hättest du dir für den Rest deines Lebens Vorwürfe gemacht, weil du immer das Gefühl gehabt hättest, dein Land im Stich gelassen zu haben.«
    Zahra hob unglücklich die Schultern. »Aber wenigstens würden unsere Kinder dann vielleicht einer besseren Zukunft entgegensehen, während wir jetzt verhungern oder von den Christen versklavt werden.« Ihre Stimme zitterte.
    »Wir werden nicht verhungern«, versprach Jaime ihr. Zahra nickte und vermied es, ihn anzusehen. Schließlich wussten sie beide, dass er es nur gesagt hatte, damit sie sich nicht noch mehr Vorwürfe machte.
     
    Der Sommer verging, und die maurischen Kornkammern leerten sich beängstigend. Außer den Pferden der Soldaten waren alle Tiere geschlachtet worden, und der Hunger zeichnete die Gesichter der Menschen, Hunger und die grenzenlose Wut, von den Christen in ihrer eigenen Stadt eingesperrt zu sein und nichts dagegen tun zu können. Während die einen Boabdil bedrängten, Granada zu übergeben, hofften andere auf die herbstlichen Regenfälle, doch noch ehe sie niederfielen, ersetzten die Christen ihre Zelte durch massive Holzhäuser und nannten ihre neugegründete Stadt »Santa Fé«. Ein Spitzel fand heraus, dass »dieser Colón« wieder bei den kastilischen Königen weilte und Isabel ihm nun fest ihre Unterstützung zugesagt hatte, was die Mauren noch mehr aufbrachte: Das Schwein, das Isabel schlachten wollte, um seine Erkundungsfahrt zu bezahlen, waren schließlich sie selbst. Dank dem Untergang des Maurenreichs würde sich Isabel womöglich auch noch neue Welten untertan machen.
    Im Herbst wurde die Lage hoffnungslos. Die Christen würden dank ihren festen Häusern und ihren prall gefüllten Kornkammern noch Monate vor der Stadt ausharren können, während der Hunger bei ihnen von Tag zu Tag mehr Opfer forderte. Vor allem Säuglinge und Alte raffte es wie die Fliegen dahin.
    »Ich befürchte, wir werden die Getreideausgabe noch weiter rationieren müssen«, gestand Boabdil Raschid und Jaime.
    Als die beiden dies am Abend zu Hause berichteten, brach Zahra zusammen. »Dann sollen die Christen unsere Stadt eben haben«, presste sie hervor. »Vielleicht kommen wir so wenigstens mit dem Leben davon!« Schluchzend zog sie ihre bis auf die Knochen abgemagerten Kinder an sich.
    Jaime wandte sich an Raschid. »Zahra hat recht; wir müssen mit Boabdil reden. Das Warten bringt nur noch mehr Tote.«
    Ein paar Tage wartete Boabdil noch, da der Sultan von Ägypten ihnen Hilfe zugesagt hatte, aber als diese ausblieb, sah auch er keine andere Möglichkeit mehr, als die Stadt zu übergeben. »Vielleicht können wir jetzt, da die Christen uns noch nicht ganz am Ende sehen, auch bessere Bedingungen aushandeln, als wenn wir weiter warten.«
    Schweren Herzens machte er sich auf den Weg zu seiner Mutter, der Sultanin, um ihr seinen Entschluss mitzuteilen.
     
    Als Boabdil Aischas Gemächer betrat, war Zahra bei ihr. Mit versteinertem Gesicht hörte Aischa ihren Sohn an, und als das Wort »Übergabe« fiel, wurde sie so bleich, dass Zahra befürchtete, sie würde umsinken. Sie eilte zu ihr, doch Aischa wies ihren stützenden Arm mit einer harten Geste von sich. Sie straffte sich und maß ihren Sohn mit eisigem Blick. »Die Astronomen hatten also doch recht: Du bist nichts als ein Unglücklicher und ein Unglücksbringer,
az-Zugaibi.
Statt unser Reich zu retten, wirfst du es den Christen zum Fraß vor!«
    Zahra zuckte unter Aischas Worten zusammen, hätte es aber niemals wagen dürfen, für Boabdil Partei zu ergreifen.
    Boabdil zeigte keine Regung. Er verbeugte sich und verließ Aischas Gemächer, um zu tun, wozu die Umstände ihn zwangen.
    Als er gegangen war, wankte Aischa zu ihrem Diwan und wedelte mit der Hand, als wolle sie Hühner verscheuchen. »Geh! Ich will allein sein!«
    Zahra verbeugte sich und verließ ihr Gemach. Als sie die Tür hinter sich schloss, sah Kafur sie besorgt an. Da
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher