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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin
Autoren: Lea Korte
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war es um Zahras Beherrschung geschehen. Sie sank an seine Brust und weinte, wie sie seit ihren Kindertagen nicht mehr geweint hatte. Kafur strich ihr über die Schulter und drückte ihr einen Kuss auf das Haar. »Das Leben wird weitergehen, Sternchen. Auch ohne unser herrliches al-Andalus und ohne Granada. Nur daran darfst du jetzt denken.«
    »Aber wenn sie uns versklaven …«, schluchzte Zahra. »Meine Kinder – o Gott, was habe ich bloß getan!«
     
    Am Abend war es am Esstisch der Sulamis so still, als sei jemand gestorben. Sogar die Kinder aßen wortlos ihr karges Mahl, und keines von ihnen weinte, weil es nicht satt wurde. Nach dem Essen bat Raschid die Erwachsenen in sein Arbeitszimmer.
    »Was wird nun werden?«, fragte Zahra ihn mit erstickter Stimme. Zainab brach in Tränen aus, und Zahra zog sie an sich.
    »Heute früh kam Gonzalo als Gesandter der Könige zu Boabdil und hat ihm mitgeteilt, dass die Christen sein Übergabeangebot angenommen haben«, begann Raschid mit schwerer Stimme zu berichten. »Sollte der Friedensvertrag zustande kommen, garantieren die christlichen Könige allen Bewohnern die Unversehrtheit ihres Lebens und ihres Besitzes. Granada soll ihnen binnen fünfundsechzig Tagen übergeben werden, am Tag zuvor müssen vierhundert Söhne und Brüder der vornehmsten Granadiner als Geiseln gestellt werden. Diese werden freigelassen, sobald die Könige die Stadt übernommen und gesichert haben. Außerdem müssen wir alle christlichen Gefangenen freilassen.«
    »Betreffen die Geiseln auch uns?«, fragte Deborah mit banger Stimme.
    Raschid schüttelte den Kopf. »Nein, da ich der einzige erwachsene männliche Vertreter der Familie bin. Aber Boabdils Freund Ismail und auch viele unserer anderen Freunde werden unter ihnen sein.«
    Deborah schloss die Augen, unter ihren Lidern quollen Tränen hervor. Raschid erhob sich und zog sie an sich.
    Zahra strich sich über ihren eng gewordenen Hals. »Und wie sicher können wir sein, dass sie uns danach auch wirklich gehen lassen?«, fragte sie.
    »Gonzalo hat uns sein Wort darauf gegeben«, erwiderte Raschid und blickte zu Jaime.
    »Wenn mein Bruder sein Wort auf etwas gibt, hält er es auch«, versicherte Jaime. Er war zutiefst erleichtert, dass sein Bruder seine Faustschläge überlebt hatte.
    »Und was steht noch in den Bedingungen?«, fragte Zahra.
    »Die meisten betreffen Boabdil selbst. Er muss Granada verlassen und erhält dafür im Austausch für sich und seine Nachkommen eine Region in den Alpujarras. Überdies werden die christlichen Könige ihm ein Gnadengehalt von dreißigtausend Castellanos in Gold zahlen.«
    »Ein Gnadengehalt …« Das Wort hinterließ in Zahras Mund einen bitteren Nachgeschmack. »Und im Gegenzug heimsen sie Granada mit all seinen Schätzen ein – welch großzügiger Tausch!«
    »Wir sind nicht in der Position, Forderungen zu stellen«, erinnerte Raschid sie.
    »Und was wird aus uns?«, fragte Zahra.
    »Es steht uns frei, weiter hier zu leben; wir müssen nur wie bisher den gewohnten Zehnt von unseren Feldfrüchten und Herden als Abgabe zahlen. Sogar unsere Waffen dürfen wir behalten; lediglich die Geschütze müssen wir abgeben. Wer von uns innerhalb der nächsten drei Jahre nach Afrika gehen will, bekommt von den Christen Mittel für die Überfahrt.«
    »Immerhin bleibt uns die Versklavung erspart«, raunte Zahra, aber ihre Verbitterung über die Niederlage wog schwerer als die Erleichterung über ihre Freiheit – zumal es keine wirkliche war. »Und was wird aus den Geiseln in Córdoba? Und vor allem aus Ahmed?«
    »Sie werden freigelassen, sobald alle Bedingungen des Vertrags erfüllt sind.«
    Zahra nickte und musste an Morayma denken. Wie froh sie sein würde, ihren Sohn wieder in die Arme schließen zu können! Ahmed musste jetzt fast zehn Jahre alt sein – aber würde er nach all den Jahren unter Torquemadas Fittichen überhaupt noch zu seinen Eltern zurückkehren wollen?
    »Wir müssen uns jetzt überlegen, was wir tun wollen«, fuhr Raschid fort und blickte zunächst Jaime und Zahra an.
    Jaime rieb sich über die Schulter, die ihm immer noch zu schaffen machte. »Zahra und ich können auf keinen Fall im Land bleiben. Die Christen suchen sie gewiss immer noch. Wir haben beschlossen, nach Portugal zu gehen. Zur Not hätten wir auch dorthin zu fliehen versucht, aber wenn die Christen uns frei ziehen lassen – umso besser!«
    Raschid nickte. »Portugal ist eine gute Wahl. Auch viele Juden wenden sich
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