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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin
Autoren: Lea Korte
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und warten wollen, bis wir verhungert sind?«, begehrte Yazid auf.
    Raschid schlug vor, die Christen mit kleineren Angriffen aus der Reserve zu locken. Wie er nicht anders erwartet hatte, unterstützte Yazid seine Ansicht, und auch die anderen stimmten zu. In den nächsten Tagen machten Raschid, Jaime, Yazid und andere Hauptleute mit ihren Soldaten immer wieder Ausfälle zum kastilischen Lager. Sie verhöhnten die Christen und traten untereinander in Wettstreit, wer von ihnen seine Lanze am nächsten an den Zelten der Könige zu plazieren vermochte, konnten aber weder die Christen zu einem Gegenschlag reizen noch an ihre bestens bewachten Vorräte gelangen. Dann erfuhren die Mauren, dass Isabel einen besonderen Gast in ihrer Stadt erwartete: Cristóbal Colón, in anderen Ländern auch Kolumbus genannt. Er wolle ausziehen, um eine neue Handelsroute nach Indien zu suchen, und wie es schien, war Isabel an seinem Vorhaben jetzt, da sie den Sieg über Granada schon zum Greifen nah vor sich sah, sehr daran interessiert.
    »So muss sie ihren Eroberungswillen also auch noch auf den Rest der Welt ausweiten«, rief Raschid erbittert.
    »Dabei sind die Kastilier nichts als Barbaren«, erwiderte Boabdil. »Was verstehen sie schon von der Seidenherstellung? Wer von ihnen ist in der Lage, unsere komplizierten Bewässerungssysteme instand zu halten? Wer versteht nur halb so viel von Pferdezüchtung wie wir? Und all unsere Errungenschaften im Bereich der Astronomie, der Medizin, der Philosophie und der Übersetzung alter Werke! Die Kastilier können nicht begreifen, was sie vorfinden, nur zerstören, was andere über Jahrhunderte erarbeitet und aufgebaut haben, weil sie in ihrer Tumbheit gar nichts damit anzufangen wissen!«
    Boabdil konnte nicht ahnen, dass er mit seiner Einschätzung auch in Bezug auf das von Kolumbus bald darauf entdeckte »Westindien« recht behalten würde.
     
    In den nächsten Wochen verstärkten die Mauren ihre Provokationen, doch nach wie vor ließen die Christen sich nicht zum Kampf herausfordern. Vor allem Yazid kochte vor Wut und stapfte wie ein Berserker durch Boabdils Arbeitszimmer. »Dann müssen wir ihr Lager eben stürmen!«, donnerte er.
    »Damit würden wir nur viele gute Männer verlieren und sonst nichts weiter erreichen«, wandte Raschid ein.
    »Aber diese kleinen Attacken – die führen doch zu nichts, außer dass wir unsere Pferde schinden!«, erboste sich Yazid. »Wir müssten klüger vorgehen, etwas Unerwartetes, Unerhörtes wagen …« Er hielt inne und lächelte. »Wie zum Beispiel die Königin als Geisel nehmen!«
    »Was in der Tat ein genialer Schachzug wäre«, pflichtete Jaime ihm bei. »Nur dürfte es uns kaum gelingen, nah genug an sie heranzukommen: Um sie schwirren mehr Leibwächter als nachts Motten ums Licht!«
    Auch Raschid fand Yazids Vorschlag zu riskant. »Die Zelte der Könige stehen im Zentrum des Lagers!«
    »Aber nachts …«, murmelte Jaime, kratzte sich an der Stirn und lächelte nun ebenfalls. »Sagt man nicht, nachts seien alle Katzen grau?«
    »Du meinst …« Auch in Raschids Augen blitzte es auf, und Yazid rief begeistert: »Genau! Wir müssten ja nicht als Mauren ins Lager eindringen!«
    »Aber es bleibt ein großes Risiko«, gab Raschid zu bedenken. »Wir müssen ins Herz ihres Lagers vorstoßen!«
    »Und wenn die Christen uns bemerken, hätten wir immense Verluste«, versuchte auch Boabdil sie zu bremsen.
    »Verluste«, echauffierte sich Yazid. »Wenn wir alle verhungert sind, werden die Verluste auch nicht geringer sein!«
    Die Diskussion erhitzte sich, und je länger sie anhielt, desto mehr flammte in Yazid sein altes Rebellentum auf, doch anders als früher ließ sich Raschid diesmal von ihm mitreißen. »Wenn wir die Königin in unsere Gewalt bringen könnten, wäre unsere Lage in der Tat ganz und gar verändert!«
    »Wie viele Männer werdet ihr brauchen?«, fragte Boabdil schließlich.
    Yazid, Raschid und Jaime spannen ihren Plan: Zunächst müssten sie die Christen mehrere Tage lang durch Scheinangriffe ermüden und dann des Nachts versuchen, sich mit einer kleinen Gruppe Männer in die Zeltstadt zu stehlen. Zu ihrer Sicherheit sollte im Hintergrund eine weitere Truppe von rund hundert Mann verborgen bleiben. In vier Nächten wollten sie es wagen.
     
    Zahra und Deborah waren außer sich, als ihre Männer von ihrem Vorhaben berichteten.
    »Das ist Selbstmord!«, ereiferte sich Zahra.
    »Auszuharren und nichts zu tun ist auch Selbstmord«, hielt
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