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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus
Autoren: Ralf Isau
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Soldat als König der Tiere.
    »Ich haderte mit meinem Schicksal und wäre am liebsten deiner Mutter ins Grab gefolgt, weil ich sie nicht hatte beschützen können«, gestand Tobes. Anstatt wenigstens seinen Sohn zu retten, berichtete er weiter, habe für ihn in derselben Stunde ein jahrelanges Martyrium begonnen. In seiner Verzweiflung sei ihm entgangen, wie sich der schwer angeschlagene Xix von hinten an ihn herangeschlichen und ihm erneut die stoffliche Hülle gestohlen habe. Damit hatte er nicht nur seinen eigenen Körper zurückbekommen, sondern dazu noch die von den Löwenpranken zugefügten Verletzungen. Sie führten zu Entzündungen, die schlimmer waren als die eigentlichen Wunden. Fast wäre er daran gestorben.
    »Xix entführte mich nach Ivoria, wo Morpheus mich gefangen hielt, bis er mich letztes Jahr mit nach Paris nahm. Er hatte mich in seinem Haus an der Place Vendôme versteckt, als er festgenommen wurde. Später brachten mich seine Schergen in ein anderes Gefängnis außerhalb der Stadt. Erst am 28. Juli, während Robespierre und die verbliebenen Getreuen unseres schändlichen Patriarchen hingerichtet wurden, hat mich Tarin dort gefunden und befreit.«
    Arian nickte dem Deutschen zu und formte mit den Lippen ein Danke. Tarin versorgte ein paar Schritte neben ihnen gerade Lizzies Verletzungen. Er lächelte zurück.
    Vater und Sohn sprachen weiter. Sie hatten so unendlich viel nachzuholen.
    Nach einer Weile bemerkte Arian eine junge Frau, die sich Lizzie näherte. Sie war schlank, hatte lange schwarze Locken und trug ein unauffälliges, nachtblaues Baumwollkleid. Er streckte Tobes die Handfläche entgegen. »Warte bitte.«
    »Weißt du, wem du da hilfst?«, fragte die Fremde Tarin auf Französisch.
    Er blickte zu ihr auf und grinste. »Nicht Morpheus, falls du das denkst. Ihr Name ist Elizabeth Fulhame. Sie ist Chemikerin.«
    »Lizzie? In meinem Körper.«
    »Er ist gerade ziemlich ramponiert.«
    »Wird er überleben?«
    »Es sind nur Kratzer.«
    »Dann ist gut.« Die Schwarzhaarige beugte sich zu Lizzie herab und stupste sie mit dem Zeigefinger auf die Nasenspitze. »Du erlaubst doch, Schwester?«
    Der Swap warf Lizzie regelrecht um. Sie verlor die Besinnung.
    Die Rothaarige und Tarin fingen sie auf und betteten sie behutsam ins Gras.
    Mira – wieder im eigenen Körper – humpelte zu ihrem Bräutigam.
    Auch Arian zog sich am Baum auf die Füße hoch. Sein Herz klopfte heftig.
    Scheu blieb Mira vor ihm stehen. »Bist du noch der, für den ich dich halte?«
    Er reichte ihr die Rechte. »Ein paar tausend Jahre weiser vielleicht, der Rest ist geblieben.«
    Sie zögerte.
    Arian griff nach ihrer Hand, zog sie zu sich heran, umarmte sie und küsste sie auf den Mund. Es war ein langer Kuss, weit mehr als ein Liebesbeweis. Und als er spürte, wie die Anspannung von ihr wich und wie sie ihre Arme um ihn schlang, wusste er, dass sie ihn erkannt hatte.

Wie sich vieles zum Guten wendet.
      
      
      
    London, 17. August 1794
      
    Schon zu Beginn der Hochzeit sah das Brautpaar so lädiert aus, als hätte es bereits eine Woche lang ausschweifend gefeiert. Doktor Arthur Abernathy war in der vergangenen Nacht über sich hinausgewachsen, um ihren großen Tag zu retten. Arians Fuß bekam eine dicke Stützbandage und Miras Wunden wurden mit feinem Stich genäht.
    Sie litt allerdings mehr unter ihrer neuen Frisur als unter dem geschwollenen Ohr, das ab und zu darunter hervorlugte. Die glühenden Splitter der explodierenden Pistole hatten ganze Haarbüschel ihrer roten Lockenpracht versengt, was den beherzten Einsatz einer Schere erforderlich machte. Weil sie nicht wie ein gestutzter Pudel aussehen wollte, hatte der Coiffeur ihr am Morgen einen asymmetrischen Haarschnitt verpasst.
    »Schief ist in Paris gerade der letzte Schrei. Jetzt, wo sie die Guillotinen einmotten, schießen die Incroyables und Merveilleuses überall wie Pilze aus dem Boden«, versuchte Tarin sie zu beruhigen. Er, Charlotte Corday und Arian saßen in der Küche um Mira herum, um den Friseur vor ihren Wutanfällen zu beschützen.
    »Die ›Unglaublichen‹ und die ›Wunderbaren‹?«, wunderte sich Arian.
    Tarin nickte. »Sie verwenden viel Sorgfalt darauf, sich so unordentlich wie möglich zu geben. Der Frack muss schlecht sitzen und die Weste schief zugeknöpft sein …«
    »Und Halstücher tragen sie gleich mehrere oder sie sind groß wie Montgolfièren«, fügte Charlotte fröhlich hinzu. Sie besaß jetzt einen wohlgerundeten Körper, der
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