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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus
Autoren: Ralf Isau
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gerade noch ducken. Er hörte ein Krachen und ein leises Knacken, als das Genick des Vogels brach.
    Miras Körper war mitten im Lauf gestürzt, der Länge nach hingefallen und blieb ebenfalls reglos liegen.
    Arian sah auf den bunten Papagei hinab. Er spürte, wie das Leben aus ihm wich.
    »Fass ihn nicht an!«, rief Tobes.
    Dessen Sohn bückte sich dennoch, zögerte kurz und legte seine Hand auf die Brust des Vogels.
    Die Präsenz des Metasomenfürsten flutete in Arians Körper, nicht wie eine zerstörende Brandung, sondern wie eine sanfte Welle, die am Strand ausläuft. Er nahm sie ganz in sich auf und hüllte sie in seinen Geist ein. Bis sie darin verschwunden war.
    »Ich hasse dich nicht, Urgroßvater«, flüsterte er, »nur was du getan hast, verabscheue ich.« Dann erhob er sich.
    Inzwischen war Tobes bei ihm. »Warum hast du das gemacht, Arian?«
    Er schüttelte nur den Kopf. »Weiß ich nicht. Irgendwie hatte ich das Gefühl, es sei das Richtige. Ich bin sein Urenkel. Wir sind schon früher vereint gewesen, ich kenne das Böse in ihm. Im Gegensatz zu Morpheus bin ich ihm nicht erlegen.«
    »Ist er… tot?«
    »Ja. Sein boshafter Geist ist gestorben. Aber seine Erinnerungen sind jetzt ein Teil von mir. Mir ist, als stünde ich auf einem hohen Berg, von dem aus man die ganze Welt überblicken kann.«
    Tobes fiel seinem Sohn um den Hals. »Ich dachte, ich würde dich niemals wiedersehen.«
    »Wir müssen raus«, meldete sich Tarin zu Wort. »Hier wird gleich alles zusammenbrechen.«
    »Bitte hilf Mrs Fulhame«, bat Arian.
    »Wer ist…?«
    »Lizzie. Die Frau in Miras Körper.«
    »Ah!« Tarin eilte zu der Wissenschaftlerin, die gerade sichtlich benommen auf die Beine kam.
    Plötzlich erscholl ein Krachen. Das Gebäude erbebte, sämtliche Fensterscheiben stoben nach innen, und das halbe Dach flog weg, so als habe ein Riese es mit den Fingern weggeschnippt. Schlagartig war ein Großteil der Flammen gelöscht. Nur die Trümmer, die in den Stall gefallen waren, loderten noch.
    »Was war das?«, keuchte Tarin.
    »Das Sägemehl aus der Manege«, antwortete Arian.
    »Jetzt aber raus hier!«, rief Tobes.

    Es war ein bizarrer Anblick. Das Pferdestandbild mit dem Kunstreiter vom Theaterdach stand nun an der Ecke Westminster Bridge Road und Stangate Street mitten auf der Straße. Auf unerklärliche Weise hatte es die Explosion, den Flug und selbst die Landung fast unbeschadet überstanden. Ansonsten waren von Astley’s Amphitheatre nur noch verkohlte Holzstümpfe übrig geblieben.
    Benommen ließ sich Arian von seinem Vater zu einem Sammelplatz nahe der Brücke führen. Zed kümmerte sich um den Sergeant Major, Tarin um Lizzie. Die Luft war geschwängert vom Rauch. Man hörte Husten, Jammern und die Stimmen der Schaulustigen, die zusammengelaufen waren.
    Die Artisten und anderen Helfer retteten derweil, was noch zu retten war, allem voran die verängstigten Tiere. Unter ihnen gab es, wie auch bei den Menschen, etliche Verletzte. Glücklicherweise hatten sich die Mitarbeiter des Theaters rechtzeitig vor der Staubexplosion in Sicherheit gebracht. Nur deshalb war niemand umgekommen. Abgesehen von Francis Hubbard alias Turtleneck, der sein Leben für Arian geopfert hatte. Er war gestorben, kurz nachdem ihn Zed, sein alter Mentor, aus dem Stall geschleppt hatte.
    Inzwischen rückten sogar die Feuerwehren der Versicherungen an, nicht um den Brand des Astley’s zu löschen, sondern zum Schutz benachbarter Gebäude, die feuerversichert waren.
    Arian dankte Tarin und Zed. Als Philip sich bei ihm für seine Blauäugigkeit entschuldigte, mit der er auf Morpheus’ Trick hereingefallen war, hörte er kaum zu. Er wollte endlich mit seinem Vater sprechen.
    »Wieso bist du erst heute gekommen?«, fragte Arian ihn schließlich. Er hatte sich ins Gras gesetzt und sich gegen einen Baum gelehnt, um seinen verletzten Fuß zu entlasten.
    »Ich hatte mein Gedächtnis verloren, viele Jahre lang. Es war eine Folge der Wunden, die ich mir selbst beigebracht hatte.«
    »Warum das?«
    Arians Vater erzählte, wie Salome von Xix in Gestalt eines Löwen ermordet worden war. Bei dem darauf folgenden Versuch die Bestie mit einem Dolch zu töten, kam es zum unfreiwilligen Körpertausch. Plötzlich war er, Tobes, die Raubkatze, und ehe er den Mörder zerreißen konnte, streckte ihn die Kugel eines bischöflichen Gardisten nieder. Unvorsichtigerweise fasste der Schütze den Kadaver an, bevor die Lebenskraft ganz daraus gewichen war. So starb der einfache
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