Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Masken der Wahrheit

Die Masken der Wahrheit

Titel: Die Masken der Wahrheit
Autoren: Barry Unsworth
Vom Netzwerk:
Art, wie der Junge gestorben ist, das ist etwas, das wir uns zunutze machen können. Es gibt Todsünden und Todsünden. Manche mögen einem Stolz, wie der Baron de Guise ihn besitzt, mehr Glanz verleihen. Aber ich glaube nicht, daß dies auch für die Sünde der Sodomie gilt. Nein, ich werde mit ihm reden, und er wird mir zuhören, und er wird weiter auf mich hören, solange er lebt.« Er schwieg für einen Augenblick, und seine strenge Miene wurde ein wenig milder. »Nur eines war mir ein Rätsel, und ich bin Euch zu Dank verpflichtet; denn erst Ihr habt volles Licht auf diese Sache geworfen.«
       »Wie das?«
       »Das sollt Ihr später noch erfahren. Jetzt werdet Ihr erst einmal eine Weile auf uns warten. Dann werden wir zusammen einen kurzen Ritt unternehmen, an dessen Ende, das verspreche ich Euch, die Aufklärung dieses Falles stehen wird.«
       »Geht’s zur Burg?«
       Er erhob sich zu seiner beachtlichen Größe und blickte aus diesen Höhen auf mich hinunter. »Nein, nicht zur Burg«, sagte er. Ich war auf dem Weg zur Tür, als er sich noch einmal zu Wort meldete. »Euch wird nichts geschehen. Wartet unten auf mich, und lauft nicht davon. Nach dieser Reise wird es in meiner Macht stehen, das Mädchen aus dem Gefängnis zu befreien und in Eure Obhut zu geben. «
       »Und die anderen? Was wird mit denen?«
       »Ja«, sagte er, »sie auch. Habt keine Angst, es ist noch nicht zu spät. Als man Euch gestern fortgeholt hat, da ließ ich Sir Richard einige Zeilen zukommen – genug, ihn zum Warten zu veranlassen. Soviel kann ich für Eure Freunde tun. Für Euch selbst kann ich ein gutes Wort beim Bischof von Lincoln einlegen, falls Ihr zurückkehren möchtet.«
       Bevor ich Gelegenheit hatte, ihm zu danken, entließ er mich mit einer Handbewegung, und der Schreiber kam herbei, mich aus dem Zimmer zu geleiten. Ich stieg die Treppe hinunter und trat hinaus auf den Hof. Langsamen Schrittes, wobei ich mich stets dicht an der Mauer hielt, ging ich zum Schuppen und versuchte, die Tür zu öffnen; von innen war eine Kette vorgelegt. Sacht rüttelte ich an der Tür, daß die Kette leise rasselte. Darauf hörte ich drinnen die Laute eines Hundes, ein Geräusch, das zwischen Bellen und Winseln lag. Dann vernahm ich Margarets schlaftrunkene Stimme, die fragte, wer da sei.
      »Ich bin’s, Nicholas«, sagte ich, den Mund dicht an der Tür.
       Nach wenigen Augenblicken hörte ich, wie der Schlüssel sich drehte, und die Tür wurde weit genug geöffnet, um mich einzulassen. Margaret hatte eine Kerze angezündet, die sie in der Hand hielt. Das Licht strahlte in die Höhe und beleuchtete ihre breiten Wangenknochen und ihr strähniges Haar. »Ah, da bist du also wieder«, sagte sie. »Ich wollte noch bis zum Morgen warten.«
       Ich verstand nicht, was sie damit meinte, doch bevor ich etwas erwidern konnte, hatte sie mir bereits die Kerze in die Hand gedrückt und sich umgedreht und wühlte kurz im Stroh. Als sie sich wieder aufrichtete, hielt sie das Kästchen in den Händen, in dem wir unsere Einnahmen aufbewahrten. »Noch eine Nacht werde ich nicht in diesem Sauloch bleiben«, sagte sie. »In diesem Kasten sind sechzehn Shilling und vier Pence. Die sind von unseren Einnahmen noch übriggeblieben. Ich mußte hier noch für zwei Übernachtungen berappen. Dieser Stinker von einem Wirt hätte sich auch in Naturalien bezahlen lassen, aber ich kann ihn nicht ausstehen. Halte die Kerze hoch, Nicholas, damit ich das Geld zählen kann. Die Hälfte behalte ich für mich, da ich nicht zu dieser Truppe gehöre und nie dazu gehört habe – und auch zu keiner anderen.«
       Sie begann die Münzen in meine Handfläche zu zählen. Kein Wort des Mitgefühls ob meiner Erschöpfung und auch keine Fragen nach dem Schicksal der anderen.
       »Wir haben dich nicht im Stich gelassen, Margaret«, sagte ich. »Uns blieb gar keine andere Wahl als mitzugehen.«
       »Darum geht’s nicht«, sagte sie. »Warte, oder ich komme mit dem Zählen durcheinander.«
       Es waren lauter Pennymünzen, so viele, daß meine Hand sie nicht alle halten konnte. »Du kannst sie hier hineintun«, sagte sie und reichte mir die schwarze Mord-Börse, die ich zum letztenmal gesehen hatte, als Martin sie mit ausgestreckten Armen vor den Leuten hochgehalten hatte, als wäre sie eine Hostie. »Ich hab’ die Börse bei mir behalten «, sagte Margaret.
       Als alles gezählt war, seufzte sie und nickte und drehte sich um; dann schob sie das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher