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Die Masken der Liebe

Die Masken der Liebe

Titel: Die Masken der Liebe
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Bekannten, alle überschlugen sich in Warnungen. Ein Künstler – huh – ein Hungerleider, ein Schwärmgeist, bei dem geht nichts in die Tiefe, sein Charakter ist unausgeglichen, der weiß nicht, was er will, der hat keine Linie, mal schreibt er für, mal gegen eine Sache, mal sagt er: Die Expressionisten sind Verrückte! Dann wieder: Expressionismus, das ist die Kunst der seelisch Schauenden! Finger weg, Elisabeth, das ist ein Freigeist, er liest Nietzsche, Schopenhauer, Spinoza, Sartre, Heidegger und – um Gottes willen – sogar Karl Marx! Du armes, unglückliches Wesen! So hieß es doch von allen Seiten. Hast du darauf gehört? Nein, du hast mich trotzdem geheiratet!«
    »Weil ich dich liebe«, sagte Elisabeth leise. Sie wippte stärker mit dem nackten Bein, aber Heinz Konradi war so sehr in seine Theorie versponnen, daß er dieses Wippen übersah.
    »Aha!« rief er. »Weil du mich liebtest! Das Gleiche kann Brigitte sagen!«
    »Sie kennt ja diesen Sanke noch gar nicht.«
    »Auch du brauchtest nur zwölf Stunden, um dich in mich rettungslos zu verlieben.«
    »Affe!« Elisabeth Konradi lächelte. Sie erinnerte sich gerne an die Zeit ihrer jungen Liebe und mußte immer wieder feststellen, daß die Sprache des Herzens eigentlich doch besser war als die Sprache der kühlen Vernunft. Sie hatte damals Heinz Konradi gegen den Willen ihrer Eltern geheiratet und alle Einschränkungen auf sich genommen, vor denen ihr Vater sie in seinem kühl rechnenden Kaufmannssinn gewarnt hatte. Doch Reue? Hatte sie die Heirat jemals bereut, auch wenn das Geld nicht reichen wollte, wenn manchmal sogar schon Schmalhans Küchenmeister gewesen war? Deshalb Reue? Nie … nie! Was wissen denn Menschen, die das wahre Glück nicht kennen, was eine wirkliche Liebe zu tragen versteht! Wie winzig sind dagegen gewisse Einschränkungen, wie unscheinbar ist die Sorge, durch die Engpässe einer wirtschaftlich noch nicht ausreichend gesicherten Existenz steuern zu müssen.
    Für Heinz Konradi war dies selbstverständlich. Der Konkurs von zwei Verlagen warf ihn an den Beginn seiner Laufbahn zurück, und verbissen ging er daran, den dornigen Weg in die Höhe wieder Schritt um Schritt zu ersteigen. Daß seine Frau ihm dabei half, hielt er für selbstverständlich.
    Er saß noch immer im Bett und starrte vor sich hin.
    Die langen Haare standen ihm gerauft um den schmalen Kopf.
    »Eigentlich ist es dumm von uns, daß wir uns Gedanken um Brigitte machen. Wissen wir denn, ob deine Schwester nicht schon längst einen Freund hat?«
    Elisabeth schüttelte energisch den Kopf.
    »Meine Schwester? Nein, die nicht! Ich kenne Gitti. Sie lebt allein für ihre Schule und ihre Weiterbildung. Darin ist sie konsequenter und stärker als ich. Warum sollte sie heiraten, wenn sie Lehrerin ist?«
    »Wer spricht denn vom Heiraten?«
    »Na – du!«
    »Nicht im geringsten. Ich spreche lediglich vom Verlieben.«
    Elisabeth Konradi setzte sich mit einem Ruck im Bett auf. Dadurch rutschte die Steppdecke von ihren Schultern, und Heinz hatte Gelegenheit, erfreut zu sehen, daß er der schwülen Sommernacht zu danken hatte. Elisabeth lag ohne den gewohnten Pyjama im Bett. Sein Interesse, sich noch länger mit seiner fernen Schwägerin zu beschäftigen, sank.
    »Verlieben?« sagte Elisabeth gedehnt. »Lieber Heinz, das kommt für Gitti auch nicht in Frage. Sie wirft sich nicht weg, sie ist sich zu schade für ein Abenteuer. Sie widersteht jeder Versuchung auf diesem Gebiet. Ich kenne meine Schwester.«
    »Graue Theorie«, winkte Konradi ab. »Wenn ein Mann wirklich ein Mann ist, der es versteht, im richtigen Augenblick zuzugreifen, dann wird jede Elisabeth, jede Brigitte, jede Martha, jede Erna und wie sie alle heißen mögen, nichts anderes tun, als glücklich und selig das Herz öffnen.«
    Damit knipste er schnell das Licht aus und ging der Frage nach, ob seiner Theorie auch in der Praxis der nötige Wahrheitsgehalt innewohnte.
    Das war der Fall.
    Herbert Sanke saß seinem Vater Paul Sanke in der großen Bauernstube gegenüber. Auf dem Herd summte ein Wasserkessel. Das Perpendikel einer uralten Uhr pendelte knackend hin und her. Auf dem langen, weiß gescheuerten Tisch standen eine Flasche Korn und zwei Gläser.
    »Tja, Vater«, sagte Herbert Sanke nach langem Schweigen. »Das ist alles so merkwürdig. Ich weiß nicht mehr, wie das Mädchen aussieht, ich wußte keinen Namen mehr, keinen Wohnort, nichts – ich hatte es drei Stunden gesehen und gesprochen –, und doch war es
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