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Die Maori-Prinzessin

Die Maori-Prinzessin

Titel: Die Maori-Prinzessin
Autoren: Laura Walden
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denn mittlerweile waren die neugierigen Blicke sämtlicher mitreisender Damen auf Eva und den Doktor gerichtet.
    Eva ließ sich aus dem Schlafsaal hinausschieben. Sie hatte immer noch nicht begriffen, was geschehen war.
    »Ich habe mich schon gewundert, wer uns das Veronal gestohlen hat, aber hier ist das leere Röhrchen.« Der Doktor hielt es hoch.
    »Wo haben Sie es her?«
    »Es lag unter der Bettdecke Ihrer Mutter. Ich habe es eben gefunden, als ich sie abgehorcht habe. Sie müssen jetzt tapfer sein: Ihre Mutter hat sich umgebracht.«
    »Sie hat es schon einmal versucht«, hatte Eva kaum hörbar erwidert. Ihr Vater hatte ihr einmal erklärt, dass es mit Marthas Schwermut kurz nach ihrer Geburt losgegangen sei.
    Der Schaffner hatte sich inzwischen neben Eva auf die Bank gesetzt und den Arm um sie gelegt. Als sie begriff, dass dieser fremde Mann sie zu trösten versuchte, schluchzte sie laut auf. Endlich konnte sie weinen. Die ganze Zeit seit dem furchtbaren Tag war sie wie versteinert gewesen.
    »Nädd draurig sin, Maat«, hörte sie den Schaffner wie von ferne raunen, doch sie konnte nichts dagegen tun. Es musste sein. Endlich! Alle hatten sich gewundert, dass sie keine Träne vergossen hatte, während der Kapitän den Leichensack mit ihrer Mutter ins Meer gekippt hatte. Sie aber hatte nicht weinen können. Ihr Inneres war wie erstarrt gewesen.
    Erst in diesem Augenblick, als sie an einen fremden bulligen Mann aus ihrer Heimat gelehnt war, trauerte sie darüber, dass sie ihre Mutter verloren hatte und allein in einem fremden Land war.
    Ich werde Vater schreiben, damit er mir das Geld für eine Fahrkarte schickt, dann sehe ich die beiden bald wieder, redete sie sich gut zu. Und nicht erst in zwei Jahren, wie ihr Vater es sich vorgestellt hatte.
    In zwei Jahren habe ich genug Geld zusammen, sodass wir unsere Hänge wieder bewirtschaften und vom Weinverkauf leben können, hatte er versprochen, aber bis dahin könnt ihr nicht auf diesem heruntergekommenen Stück Land hausen, das einmal ein ertragreiches Weinland gewesen war.
    Nach dem Krieg war es mit dem Weingut ständig bergab gegangen. Zum einen war der Vater mit einer Kriegsverletzung heimgekehrt und zum anderen hatte er sich früh den Separatisten um Heinz Orbis angeschlossen. Sein Traum war eine freie Pfalz mit Anlehnung an Frankreich gewesen. Doch der Rückhalt in der Bevölkerung für diese Bewegung war nicht eben groß gewesen. Peter Schindler hatte sich zwar noch rechtzeitig von den Separatisten losgesagt, um nicht mit seinem Leben zu büßen, aber in den Augen der französischen Besatzer war er politisch unzuverlässig, und von den Hilfen der Bayrischen Landesregierung bekam er gar nichts. Der Bürgermeister überging den frankophilen Querkopf, wie Peter Schindler im Dorf genannt wurde. Mit dem Ergebnis, dass er Weinberge verkaufen musste und vom Rest seine Familie nicht mehr hatte ernähren können. Er hatte sich allerdings geweigert, das Anwesen zu verkaufen. Stattdessen hatte er für die Tickets nach Amerika und Neuseeland sämtliche Schmuckstücke versetzt, die ihm seine Mutter einst vererbt hatte. Und das waren nicht wenige gewesen, denn das Weingut Schindler hatte unter seinen Eltern weitaus bessere Zeiten gesehen.
    Eva schreckte aus ihren Gedanken, als der Schaffner sich entschuldigend erhob. Er müsse weiter. Allerdings nicht, ohne sich nach ihrer Bleibe in Napier zu erkundigen. Als sie die Adresse in der Cameron Road nannte, pfiff er durch die Zähne und erklärte ihr, dass dies eine Straße wäre, in der es nur große, alte viktorianische Villen gebe. Dort habe man Geld, fügte er augenzwinkernd hinzu.
    Eva dankte dem freundlichen Mann. Wenn er wüsste, wie gleichgültig ihr war, wohin sie kam. Sie würde eh nicht lange bleiben. Sie war nur von einem Gedanken besessen: ihrem Vater einen Brief zu schreiben, sobald er seinerseits die Adresse geschickt hatte, um ihn zu bitten, sie nachkommen zu lassen.
    Wenn ich diese Reise überlebt habe, werde ich auch noch gesund von hier nach Amerika gelangen, dachte sie und setzte sich aufrecht hin. Draußen schien die Sonne, und im Zug wurde es langsam warm. Eva zog ihren dunklen Wollmantel aus, der sie seit Beginn der Reise begleitete. Ihr Vater hatte ihn ihr in Hamburg gekauft. Dort hatten sie einige Tage in einer schäbigen Unterkunft auf die Abfahrt ihrer Schiffe warten müssen. Auch das würde sie nie vergessen: Wie ihre Mutter und sie auf dem riesigen Dampfer gestanden und ihrem Vater und Bruder
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