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Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra
Autoren: Guido Dieckmann
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Abekke auf einmal liebenswürdig. »Meine Knechte haben Philippa gesehen, als sie sich gerade von dem fahrenden Buchhändler Bartholomäus verabschiedete. Gewiß wird ihr erstandenes Werk die Zierde der von Boraschen Hausbibliothek werden.«
    Philippa begann vor Wut zu zittern. Wenn Abekkes Knechte sie in der Nähe der alten Kapelle beobachtet hatten, war dies keineswegs ein Zufall. Womöglich spionierten die Kerle ihre Familie und das Dorf seit Tagen aus. Warum war ausgerechnet Sebastian, der doch schließlich das Waffenhandwerk erlernt hatte, so blind und begriff nicht, daß er sich mit der Medewitzerin ein Trojanisches Pferd ins Haus geholt hatte? Was den von Boras bevorstand, war keine Vermählung, sondern ein Beutezug, ein hinterhältiger Plan des Herrn von Medewitz mit dem Ziel, nach dem Dorf und den Wassermühlen auch noch das Rittergut in seine Hände zu bekommen.
    »Falls die Landsknechte deiner Braut mich tatsächlich im Dorf gesehen haben, so dürfte ihnen wohl auch nicht entgangen sein, daß es heute einen Pestfall gegeben hat«, stieß sie schließlich hervor. »Bartholomäus weigerte sich, mir Näheres dazu zu sagen, und der Prädikant aus Wittenberg war nicht aufzutreiben. Dennoch sollten wir vorbereitet sein …«
    »Ich verbiete dir, noch einmal ins Dorf zu gehen, Philippa«, ließ sich plötzlich Nikolaus von Boras schwache Stimme vernehmen. Auf Golfried gestützt, stolperte er seiner Tochter entgegen. »Du weißt genau, daß ich es nicht möchte, wenn du zur Katharinenkapelle gehst. Und sollte in Lippendorf tatsächlich die Pest ausgebrochen sein …« Er sprach nicht weiter. Erschöpft bedeutete er seinem Diener, ihm in seine Kammer hinaufzuhelfen.
    »Wir sollten alle ein wenig ruhen, Liebster«, sagte Abekke. Sie ignorierte Philippas finsteren Blick und strich ihrem Verlobten scheinbar zärtlich über die Wange. »Eure Lippendorfer Männer sind hinter den Mauern unserer Burg in Sicherheit, und wir sind es hier auf dem Hof auch. Warum sollten wir uns also Sorgen machen?«
    Ja, warum wohl, dachte Philippa düster und lief, ohne auf Roswithas stummen Protest zu achten, an ihrem Bruder und der Medewitzerin vorbei, die Treppe zum Hof hinunter.

3. Kapitel
    Golfried stellte sich leise stöhnend auf die Zehenspitzen, um mit seinem Brennspan die sieben dicken Wachskerzen über der Tafel zu erreichen. Der Leuchter, auf dem die Kerzen steckten, bestand aus einem massiven Wagenrad, das an einer Messingkette von der Decke des Saales herabhing. Sein Schein vermochte auch noch die entfernteste Ecke der Halle auszuleuchten; allerdings wurde er recht selten benutzt, weil Nikolaus von Bora auf Sparsamkeit bedacht war. Er konnte es nicht leiden, wenn teures Bienenwachs vergeudet wurde. Die Schadensliste und das Inventar, das der Verwalter auf Golfrieds Rat hin noch vor Sankt Michaelis erstellt hatte, zeugten ohnehin seit langem von zu knappen Mitteln.
    Als die Familie sich am Abend nach Abekkes Empfang im Saal versammelte, um zu ihren Ehren ein Festmahl abzuhalten, brannten auf dem mit Wachstropfen überzogenen Holzrad alle sieben Kerzen. Die Bierkrüge und Weinkannen, die Platten mit Wildbret, Schinken und gekochtem Fisch sowie die zierlichen Silberschalen mit den kleinen Kuchen aus Weißmehl ruhten in einem zarten, beinahe seidigen Glanz. Abekke saß aufrecht wie eine Fürstin zwischen ihrem Bräutigam und dessen Vater. Ungezwungen plaudernd schob sie sich mit ihrer venezianischen Gabel, die nur aus zwei zierlichen Zinken aus getriebenem Silber bestand, ein Stück gesottenen Hering in den Mund und verzog kurz darauf unmerklich das Gesicht. Philippa lächelte verstohlen. Ihr Besuch in der Küche des Gutshauses hatte sich bezahlt gemacht; die Köchin würde die zusätzliche Portion Pfeffer, die sie in Abekkes Soße gerührt hatte, gewiß nicht vermissen.
    »Gefällt Euch die Tapisserie, Herr?« wandte sich Abekke mit säuerlicher Miene an Nikolaus von Bora, der teilnahmslos an seiner Rehkeule herumsäbelte. »Mein Vater hat sie vor etwa zehn Jahren von einer Reise durch Burgund mit nach Hause gebracht. Damals war die Auseinandersetzung zwischen dem französischen König und Kaiser Karl wohl noch nicht so heftig wie in diesen Tagen.«
    »In der Tat«, stimmte Sebastian zu, ohne auf die politische Anspielung seiner Verlobten einzugehen. Seine Blicke glitten bewundernd über den kostbaren Wandteppich, den Abekke dem Hausherrn als Geschenk für die große Halle überreicht hatte. Noch vor dem Mahl hatte er Golfried
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