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Die Magierin des Windes: Roman (German Edition)

Die Magierin des Windes: Roman (German Edition)

Titel: Die Magierin des Windes: Roman (German Edition)
Autoren: Misty Massey
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aufbrach.«
    »Haben sie ihn gefasst?«
    »Sie dachten, das hätten sie.« Er schüttelte den Kopf. »So gegen Sonnenaufgang werde ich von trampelnden Füßen auf der Treppe geweckt. Ich blinzel mir noch den Schlaf aus den Augen, als sie mir die Tür eintreten, mich aus dem Bett zerren und mich in eine Zelle werfen. Es hat einen ganzen Tag gedauert, bis ich überhaupt herausfand, was man mir vorwarf.« Er kippte den letzten Rest Rum hinunter und rollte den leeren Becher zwischen den Händen hin und her. »Hab nie einen anständigen Prozess gekriegt. Ich wurde vor den Richter geschleift, schuldig gesprochen und verurteilt, bevor ich auch nur ein Wort zu meiner Verteidigung sagen konnte. Sie brachten mich rasch auf ein Schiff, mit Ketten an Händen und Füßen; ich sollte auf den Kontinent, in die Salzbergwerke.«
    Überrascht riss Falkin die Augen auf. »Du warst auf dem Kontinent?«, fragte sie erstaunt. »Und hast mir nie davon erzählt?«
    »Das habe ich nicht getan, weil ich nie dort angekommen bin. Als wir fast eine Woche von Bix entfernt waren, lauerte uns Flingo Naile auf. Er tötete die meisten Wachen und stellte uns alle, die wir noch übrig waren, Wachen wie Gefangene, vor die Wahl.« Er zuckte die Schultern. »Sich seiner Mannschaft anzuschließen und ihre Ziele zu unseren machen, oder auf der Stelle getötet zu werden. Ein paar der anderen machten Theater und riefen, sie wären keine Verbrecher, aber mir war das eigentlich nicht weiter wichtig. In den Tagen, die wir auf dem Schiff verbracht hatten, hatte ich den Geruch des Ozeans lieben gelernt, und das Schwanken des Decks unter meinen Füßen. Eingesperrt zu werden war das Schlimmste gewesen, was mir in meinem kurzen Leben je zugestoßen war, und dass Naile uns enterte, kam mir wie ein Wunder der Götter vor. Natürlich würde ich ein Gesetzloser werden, aber für die Behörden war ich ja ohnehin schon einer. Ich glaubte nicht, dass die Arbeit für Naile ein schlimmeres Todesurteil bedeuten könnte, als Salz abzubauen – und wenigstens würde ich unter freiem Himmel sein.«
    Der Wind pfiff, ein einsamer Klang, der ihr gedämpftes Gespräch unterbrach. Binns starrte in seinen leeren Becher; sein Gesicht war jetzt abwesend, in einer Vergangenheit versunken, die er nicht ungeschehen machen konnte. Falkin sah auf den Becher hinab, der auf dem Boden stand; sie wollte der Gefühlsaufwallung nicht nachgeben, die über sie hereinzubrechen drohte. Er hatte lange darüber nachgedacht, das war deutlich. Die Frage war nicht die, ob er sich zur Ruhe setzen würde, sondern nur: wann . Sie vermisste ihn schon jetzt, aber dies war nicht der rechte Zeitpunkt für Tränen. »Was wirst du also tun?«
    »Darüber hab ich schon nachgedacht«, sagte er. »Ich hab ein bisschen Bargeld an sicherer Stelle liegen.«
    »Ach, wirklich?«, fragte sie, dankbar für die Gelegenheit, ihn zu ärgern. »Du hast uns doch nicht übervorteilt, oder? Dir mehr als deinen Anteil genommen?«
    »Nein, Mädchen. Ich hatte nur im Laufe der Zeit ein paarmal die Möglichkeit, auf eigene Faust zu handeln. Vielleicht erzähl ich dir ja nächstes Mal ein paar von den Geschichten.« Er kratzte sich gedankenverloren die Fingerknöchel einer Hand. »Ich dachte, ich könnte irgendwo eine kleine Hafenkneipe eröffnen. So würde ich euch Seebären im Auge behalten.«
    »Wo soll denn deine Kneipe stehen, alter Mann?«
    Binns lachte leise. »Na, ich schätze, jedenfalls nicht auf Bix!«
    Sie fiel in sein Gelächter mit ein. Als es erstarb, stand sie auf. »Danke für den Rum und für die Geschichte«, sagte sie und reichte ihm ihren leeren Becher.
    »Fühlst du dich jetzt besser, Mädchen?«, fragte er und sah sie mit zusammengekniffenen Augen an.
    »Ich glaube schon. Aber das Schiff könnte immer noch da draußen sein und darauf warten, dass wir in unserer Wachsamkeit nachlassen.«
    »Ja, das könnte es wohl. Vielleicht zielen sie ja gerade auf uns, in der Hoffnung, uns vom Wasser zu pusten. Aber was nützt es schon, sich zu sorgen? Was geschieht, geschieht eben, und was nicht geschieht, geschieht nicht. Sich im Voraus darüber Gedanken zu machen, ermüdet nur das Gehirn.« Er stellte beide Becher auf den Boden und stand auf. »An Deck mit dir! Eldraga wartet auf uns.«
    Falkin nickte. »Aye aye, Käpt’n.« Gefolgt von Binns stapfte sie aus der Kajüte.
    Der Himmel wurde heller. Dann und wann blinkte ein Stern zwischen den windzerfetzten Wolken über ihnen hervor. Die Luft roch scharf und sauber nach Regen,
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