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Die Magierin des Windes: Roman (German Edition)

Die Magierin des Windes: Roman (German Edition)

Titel: Die Magierin des Windes: Roman (German Edition)
Autoren: Misty Massey
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flackerte in ihrer Brust auf. »Etwas Angemessenes?«
    »Natürlich. Ein Leben auf See ist nichts für eine Frau. Seid Ihr denn verrückt? Ihr tätet besser daran, Euch eine Stelle als Küchenmagd oder Näherin zu suchen.« Er musterte sie von oben bis unten. »Ihr seht doch ganz gut aus. Ihr würdet wahrscheinlich weit kommen, wenn Ihr die Beine … na ja, breitmachtet.«
    Der Funke loderte nun zu einer tosenden, prasselnden Wut auf. Falkin packte ihren Degen und zielte mit der Spitze auf den Mittelpunkt seiner Brust. »Ihr seid ein widerlicher kleiner Mann. Ich verstehe, warum Euer Vater Euch sein Königreich nicht vermachen will. Die Spiele, die die Landratten spielen, kümmern mich nicht. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich niemals wieder einen Fuß auf Land setzen. Aber niemand – ob Landratte oder nicht – hat es verdient, unter der Fuchtel eines verzogenen Kleinkinds zu stehen, das glaubt, es wüsste, wie man den König spielt, nur, weil jemand ihm eine Krone gegeben hat.«
    Jeremie ließ die Frucht los und verschränkte die Arme. »Wie glaubt Ihr mich denn aufhalten zu können? Wenn Ihr mich tötet, werdet Ihr dieses Haus nie lebendig verlassen.«
    »Ich muss Euch gar nicht töten«, sagte sie mit verkniffenem Mund. »Ich muss nur pfeifen.«
    Sie presste die Lippen aufeinander und pfiff einen klaren Ton. Die Pflanze bewegte sich; der Topf klirrte leise auf der Brüstung des Türmchens. Falkin führte unauffällig eine Hand an den Dolch und zog ihn so heimlich, wie sie nur konnte.
    »Was im Namen der Götter tut Ihr da?« Jeremie lachte. »Ihr seid keine Danisoberin!«
    Falkin hörte nicht auf. Über den Ton in ihrem Kopf hinweg konnte sie den Prinzen lachen hören. Sie konzentrierte sich auf die Pflanze in ihrem Topf. Sie schickte unsichtbare Finger aus Klang aus, die sich um den Topf schlangen. Schließlich packte sie ihn und – hob ihn hoch.
    Jeremie machte ein entsetztes Gesicht. »Nein!«, schrie er. »Gebt sie mir zurück!« Er sprang hoch und fuchtelte mit den Armen, um den kleinen Topf aus dem Himmel zu pflücken. Falkin fuhr mit ihrer Melodie fort und hielt die Pflanze außerhalb seiner Reichweite.
    »Hört auf, diesen Ton zu pfeifen!«, kreischte der erzürnte Prinz. Er rannte mit Händen, die zu Klauen gekrümmt waren, auf sie zu.
    Falkin duckte sich, als er nur noch Zentimeter entfernt war, und führte ihre Klinge hoch, in Jeremies Bauch. Sie drang so leicht wie durch Butter bis zum Griff ein. Er drehte sich weg; Blut sprenkelte den Boden des Türmchens wie plötzlicher Sonnenschein. Keuchend sackte Jeremie gegen die Turmbrüstung.
    »Meine Sanguina …«, flüsterte er und glitt zu Boden. Falkin ging die Luft aus. Sie nutzte ihre letzten Noten, um die Pflanze auf dem Holz des Bodens abzustellen. Sie beugte sich vor, stützte die Hände auf die Knie und sah dem blutenden Prinzen ins Gesicht.
    Dann streckte sie den blutigen Dolch aus und wischte ihn an seinem Arm sauber. »Das ist doch … ganz angemessen, nicht wahr?«, fragte sie und schob sich den Dolch in den Stiefel. Er hustete; blutiger Speichel befleckte sein Hemd. Dann schloss er die Augen.
    Die Frucht, die von ihrem dicken, grünen Stängel hing, hatte die Farbe verändert, von ihrem früheren, matten Graugrün zu einem leuchtenden Gelb. Wann war das geschehen? Falkin streckte einen Finger aus, um sie zu berühren. Glatt und verheißungsvoll. Was, wenn sie sie jetzt pflückte, sie selbst aß und sie alle im Stich ließ?
    »Das würde ihnen allen recht geschehen«, sagte sie laut, zu den Vögeln oder jedem sonst, der zuhören mochte. Aber das wäre nicht richtig gewesen. Und auch nicht das, was sie wollte. Das Leben auf See kam einem vollkommenen Leben schon sehr nahe. Sie hatte sich nie Sorgen darum gemacht, genug Zeit zu haben. Ein Leben würde mehr als genug sein. Sie zog die Hand von der reifen Sanguina weg.
    Von hier oben aus wirkte die Welt so still. Sie glaubte fast, hören zu können, wie die Sonne aufging, als rosafarbene Lichtstreifen die äußersten Ränder des Horizonts zu umspielen begannen. Sie ging zu dem hölzernen Kreuz hinüber – und zu dem Mann, nach dem sie so lange gesucht hatte. Sie steckte ihren Degen in die Scheide, zog den Dolch und sägte seine Fesseln durch.
    Er sackte vornüber in ihre Arme. Sie legte ihn auf dem Boden des Türmchens ab und schnitt seinen Knebel los.
    »Artie, es tut mir so leid.«
    »Das ist nichts, was dir leidtun müsste, mein Mädchen.« Seine Stimme war heiser und trocken. Seine Hand
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