Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA

Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA

Titel: Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA
Autoren: Attilio Bolzoni
Vom Netzwerk:
Schritt der Cosa Nostra kannten und vor und während der Anschläge Kontakt zu den Bossen von Corleone hielten. Heute ist es nicht gewagt, eine andere Hypothese zu äußern: dass nicht die Carabinieri-Sondereinheit die Operation zur Aushebung des Verstecks von Totò Riina leitete, sondern dass auch sie, die Carabinieri des ROS, entgegen ihrer eigenen offiziellen Darstellung nur Befehlsempfänger waren und höhere Stellen im Sinne einer wie auch immer gearteten Staatsraison das Kommando führten.
    Ermittelt wird auch zum Verzicht auf die Festnahme Bernardo Provenzanos. Der Boss von Corleone ging erst dann ins Netz, als die Fahnder – erstmals – beschlossen, für ihre Ermittlungen keine Telefon- und akustische Raumüberwachung einzusetzen, da sie in den entsprechenden Telecom-Einrichtungen undichte Stellen vermuteten. Der stellvertretende Polizeipräsident Renato Cortese konnte den Boss erst nach einer Sichtung mit dem Fernglas in aller Heimlichkeit festnehmen, ohne dass Informationenüber diese Operation über den engsten Kreis seiner Einsatztruppe hinausdrangen. Das ist ein weiteres großes Rätsel.
    Massimo Ciancimino, der Sohn des Ex-Bürgermeisters von Palermo, behauptet, neben seinem Vater habe auch Senator Marcello Dell’Utri Kontakt zu dem untergetauchten Provenzano gehabt; und beim Bau der Trabantenstadt Milano 2 seien Gelder der Cosa Nostra eingesetzt worden. Berlusconis Partei Forza Italia, so Ciancimino weiter, sei das Ergebnis von Verhandlungen zwischen der Mafia und dem Staat. Eine ganze Lawine von Enthüllungen. Alles wahr? Alles falsch? Aus den Tiefen Palermos tauchen die Geister der Vergangenheit auf.
    Auch das Rätsel einer anonymen Botschaft ist in Palermo noch nach all den Jahren ungelöst. Bis heute unbekannt ist der Verfasser eines achtseitigen Briefes, der in der Zeit zwischen der Ermordung Falcones und der Borsellinos geschrieben wurde. Darin taucht erstmals das Wort
Vereinbarung
(
accordo
) auf. Und erstmals wird das Szenario von Verhandlungen zwischen Mafia und Staat beschrieben. Ein
papello
im wahrsten Sinn des Wortes, das älter ist als der Brief Totò Riinas.
    Der anonyme Brief wurde an neununddreißig Adressaten geschickt: an den Quirinalspalast, den Sitz des Staatspräsidenten, ebenso wie an die Chefredakteure italienischer Tageszeitungen, an einige Oberstaatsanwälte und an den Polizeichef. Keiner nahm ihn wirklich ernst. Heute wird der Brief in die Ermittlungen zu den Anschlägen einbezogen und entsprechend den Erkenntnissen bewertet, die in den letzten Monaten über den Pakt zwischen den Corleonesern und den Polizeiapparaten gewonnen wurden. Auf diesen acht Seiten ist bereits vieles festgehalten: das Motiv für die Ermordung Salvo Limas und auch die Geschichte, wie der Anschlag von Capaci Giulio Andreottis Aufstieg in das Amt des Staatspräsidenten vereitelte.
    Aus der Zeit der blutigen Anschläge in Sizilien gibt es viele solche Spuren: Telefonate der Bosse mit Geheimdienstbehörden; Briefe mit den Telefonnummern von Leitern der Sicherheitsapparate, die an den Schauplätzen der Verbrechen gefundenwurden; Kontakte von Experten zur Abwehr gegen Lauschangriffe mit mutmaßlichen Attentätern; das rote Notizbuch, in dem Paolo Borsellino wichtige Informationen und Termine festhielt und das kaum eine Stunde nach dem Anschlag spurlos verschwand.
    Protagonist des letzten Kapitels des sizilianischen Intrigengeflechts ist Totò Riina. Im Juli 2009 erzählte er erstmals von den Anschlägen der Jahre 1992 und 1993. Zur Ermordung Borsellinos bemerkte der Boss der Bosse: »Den haben sie umgebracht.« Er meinte die Leute aus den Apparaten. Und dann fügte er hinzu: »Schaut nicht immer nur auf mich, schaut auch bei euch selber.« Das hatte schon Paolo Borsellino prophezeit: »Sie werden mich töten, aber es wird keine Rache der Mafia sein, die Mafia rächt sich nicht. Vielleicht werden es Mafiosi sein, die mich physisch töten, aber meinen Tod gewollt werden andere haben.«
    Sizilien war schon immer Schauplatz tödlicher Anschläge. Schauplatz von Blutbädern der Mafia. Blutbädern des Staates wie jenem von Portella della Ginestra. Blutbädern um Brot. Blutbädern um Land. Blutbädern um Wasser. Und schließlich auch von Blutbädern, die erstmals die terroristische Ader der corleonesischen »Familien« offenbarten. Von Blutbädern mit einem sizilianischen und einem italienischen Auftraggeber.

Informationen zum Autor
    © Federico Maria Giammusso
    Attilio Bolzoni, geboren am 20. September 1955,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher