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Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA

Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA

Titel: Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA
Autoren: Attilio Bolzoni
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Tag, an dem Totò Riina ins Gefängnis kam, vollzog sich in Palermo das größte Täuschungsmanöver, das es im Kampf der Justizbehörden gegen die Cosa Nostra je gegeben hatte. Die Chronik der Ereignisse spricht eine deutliche Sprache.
    Wenige Minuten nach Riinas Verhaftung auf dem Viale Lazio, ein paar hundert Meter von dem Haus entfernt, wo er sich mit Frau und Kindern verschanzt hatte, begannen die beiden Carabinieri-Offiziere Domenico Minicucci und Andrea Brancadore und der mit den Ermittlungen beauftragte Staatsanwalt Luigi Patronaggio mit der Durchsuchung der Villa, die Riina als Versteck gedient hatte. Diese Durchsuchung wurde auf Befehl General Moris gestoppt. Der General und Gian Carlo Caselli, der kurz zuvor die Leitung der Staatsanwaltschaft Palermo übernommen hatte, hatten beschlossen, die Tatortbesichtigung zu verschieben. Es sei besser, die Villa zu überwachen, um weitere Bosse festnehmen zu können. Neunzehn Tage lang versicherte der General Caselli und den anderen Staatsanwälten, das Haus werde »lückenlos und rund um die Uhr überwacht«. In Wirklichkeit zogen Moris Leute nur wenige Stunden nach Riinas Festnahme ab – und damit konnten Tage später einige Bosse ungestört ins Haus eindringen und es komplett ausräumen. Es besteht der Verdacht, dass irgendjemand Totò Riinas Geheimarchiv beiseitegeschafft hat.
     
    Sie haben mit dem Staubsauger alle Spuren verwischt, sie haben Kleider, Dokumente und die wichtigsten Sachen fortgeschafft. Sie haben die Wände gestrichen und den Tresor aus der Wand geholt und gleichfalls fortgeschafft und das Loch wieder zugemauert, so dass nichts mehr zu sehen war. Es wurde beschlossen, Riinas Angehörige aus dem Haus wegzubringen und alles zu vernichten, was auf die Anwesenheit Onkel Totòs schließen ließ […]. Es wurden Wände niedergerissen und neue hochgezogen.
     
    Aussage des Mafioso Gioacchino La Barbera im Prozess
    zur nicht durchgeführten Durchsuchung von Totò Riinas
    Versteck; Hochsicherheitsgerichtssaal des römischen
    Gefängnisses Rebibbia, 18. November 2005
     
    In einem Tresor hatte Riina Geld, Dokumente, Notizen, Abrechnungen und notarielle Unterlagen aufbewahrt. Ich kenne zwar nicht den genauen Inhalt, weiß aber, dass es zu der Zeit immer um die Vergabe öffentlicher Aufträge und um Drogenhandel ging. Sie wollten alle Spuren beseitigen, die auf ihn hindeuteten.
     
    Aussage des Mafioso Giovanni Brusca im Prozess zur nicht
    durchgeführten Durchsuchung von Totò Riinas Versteck;
    Hochsicherheitsgerichtssaal des römischen Gefängnisses
    Rebibbia, 18. November 2005
     
    Warum wurde das Haus nicht durchsucht, in dem sich der Boss der Bosse der Cosa Nostra versteckt hielt? »Ein Missverständnis«, rechtfertigte sich General Mori. Es war eine Abmachung, sagen heute, Jahre später, die Staatsanwälte von Palermo, die zu den Geheimverhandlungen zwischen Mafia und Staat ermitteln. Riinas Festnahme im Tausch gegen die Unterlagen in seinem Versteck. Und im Tausch gegen die Unantastbarkeit des untergetauchten Bernardo Provenzano.
    Als das »Missverständnis« ans Licht kam, schrieb Staatsanwalt Caselli einen Protestbrief an den Generalkommandeur der Carabinieri. Aber Mori wurde für sein Handeln nie zur Rechenschaft gezogen. Es bedurfte erst mehrerer Zeitungsartikel und eines Kronzeugen, bevor Ermittlungen aufgenommen wurden. Viele wandten den Blick auch diesmal ab. Es lag auf der Hand,dass die Festnahme Totò Riinas ein Geheimnis barg. Aber die offizielle Antimafia, auch innerhalb der Justiz, ignorierte dieses Geheimnis lange Zeit.
    Der Verzicht auf die Durchsuchung der Villa des Bosses wurde später mit dem Verzicht auf die Festnahme Bernardo Provenzanos in Verbindung gebracht. Dies war Phase zwei der Verhandlungen zwischen der Mafia und dem Staat. Die erste Phase waren die Verhandlungen mit Totò Riina zur Beendigung der blutigen Anschläge gewesen. In der zweiten Phase (nach der von Provenzano eingefädelten Festnahme Riinas) ging es darum, mit einer Cosa Nostra ohne blutige Anschläge die Ordnung in Sizilien wiederherzustellen. Dies ist die Ermittlungshypothese, mit der die Staatsanwälte von Palermo seit mehr als zwei Jahren arbeiten.
    Zunächst schien es, als seien die einzigen Akteure dieses Plans ein paar Offiziere der Carabinieri-Sondereinheit ROS unter Federführung von General Mori und Hauptmann De Donno. In Wahrheit waren sehr viel mehr Leute aus den Apparaten an diesen Verhandlungen beteiligt – Agenten der Geheimdienste, die jeden
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