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Die Märchen von Beedle dem Barden

Die Märchen von Beedle dem Barden

Titel: Die Märchen von Beedle dem Barden
Autoren: J.K Rowling
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versehentlich hörte ich die ganze ekelhafte Geschichte, ganz zu schweigen von den grässlichen Einzelheiten der furchtbar unappetitlichen Sache mit meinem Onkel Nobby, der hiesigen Sabberhexe und einem Sack Springender Knollen. Der Schock brachte mich fast um; ich lag eine Woche lang im Bett und war so schwer traumatisiert, dass ich die Angewohnheit annahm, jede Nacht schlafwandelnd zu besagtem Schlüsselloch zurückzukehren, bis endlich mein lieber Papa, dem nur mein Wohlergehen am Herzen lag, meine Tür zur Schlafenszeit mit einem Klebefluch belegte.« Offenbar sah Beatrix keine Möglichkeit, »Des Hexers haariges Herz« empfindsamen Kinderohren anzupassen, da sie diese Geschichte nie für Die Märchen von den Giftpilzen überarbeitete.]
    Warum hat dieses grausige Märchen dann überlebt? Ich würde behaupten, dass »Des Hexers haariges Herz« die Jahrhunderte unversehrt überstanden hat, weil es von den dunklen Abgründen in uns allen handelt. Es befasst sich mit einer der größten und am seltensten eingestandenen Verlockungen der Magie: dem Streben nach Unverwundbarkeit.
    Natürlich ist ein solches Streben nicht mehr oder weniger als eine törichte Wunschvorstellung. Kein Mensch auf der ganzen Welt, ob Mann oder Frau, mit Zauberkraft oder ohne, blieb jemals von jeglicher Art der Verletzung verschont, ob körperlich, geistig oder emotional. Zu verletzen ist so menschlich, wie zu atmen. Dennoch scheinen wir Zauberer in besonderem Maße der Idee verfallen zu sein, dass wir das Wesen unserer Existenz willkürlich verbiegen können. Der junge Hexer [Fußnote: Der Begriff »warlock« (im Dt. »Hexer« oder »Hexenmeister«) ist sehr alt. Obwohl er in manchen Fällen mit »wizard« (»Zauberer«) austauschbar ist, bezeichnete er ursprünglich einen Menschen, der im Duell und allen Kriegszaubern bewandert war. Er wurde auch als Ehrentitel an Zauberer verliehen, die kühne Taten vollbracht hatten, ähnlich wie Muggel manchmal für tapfere Handlungen zum Ritter geschlagen wurden. Indem Beedle den jungen Zauberer in dieser Geschichte einen Hexer nennt, deutet er an, dass er in offensiver Magie bereits als außerordentlich begabt anerkannt ist. Heutzutage verwenden Zauberer den Begriff »Hexer« auf zweierlei Art: für einen Zauberer von ungewöhnlich grimmiger Erscheinung oder als Titel, der auf besondere Fähigkeiten oder Leistungen verweist. So war Dumbledore selbst Großhexenmeister des Zaubergamots. JKR] in dieser Geschichte kommt beispielsweise zu dem Schluss, dass es seine Behaglichkeit und seine Sicherheit beeinträchtigen würde, wenn er sich verliebte. Für ihn ist die Liebe eine Demütigung, eine Schwäche, eine Belastung des Gefühlshaushaltes und der materiellen Besitztümer eines Menschen.
    Natürlich zeigt der jahrhundertealte Handel mit Liebestränken, dass unser fiktiver Zauberer wohl kaum der Einzige ist, der den unberechenbaren Gang der Liebe zu steuern begehrt. Die Suche nach einem echten Liebestrank [Fußnote: Hector Dagworth-Granger, der Gründer der Extraordinären Zunft der Trankmeister, erklärt: »Der geschickte Trankmeister kann starke Schwärmereien herbeiführen, doch es ist noch niemandem gelungen, die wahrhaft unverbrüchliche, ewige, bedingungslose Zuneigung zu erzeugen, die allein Liebe genannt werden kann.«] dauert bis auf den heutigen Tag an, aber es wurde noch kein derartiges Elixier erzeugt, und führende Zaubertrankmeister bezweifeln, dass das möglich ist.
    Der Held dieses Märchens ist aber nicht einmal an einem Trugbild der Liebe interessiert, das er nach Belieben schaffen oder zerstören kann. Er will sich niemals anstecken mit etwas, das er für eine Art Krankheit hält, und vollzieht daher einen Akt schwarzer Magie, der außerhalb eines Märchenbuchs nicht möglich wäre: Er schließt sein eigenes Herz weg.
    Viele Autoren haben auf die Ähnlichkeit dieser Tat mit der Erzeugung eines Horkruxes hingewiesen. Obgleich Beedles Held nicht danach strebt, dem Tod zu entrinnen, trennt er, was zweifellos nicht getrennt werden sollte — hier sind es Körper und Herz, nicht Körper und Seele —, und indem er dies tut, gerät er mit dem ersten von Adalbert Schwahfels Grundgesetzen der Magie in Konflikt:
    Rühre nur dann an die tiefsten Geheimnisse — den Ursprung des Lebens, das Wesen des Selbst —, wenn du bereit bist, Folgen von äußerst schwer wiegender und gefährlicher Art auf dich zu nehmen.
    Und tatsächlich, mit seinem Streben, übermenschlich zu werden, macht dieser vermessene
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