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Die Märchen von Beedle dem Barden

Die Märchen von Beedle dem Barden

Titel: Die Märchen von Beedle dem Barden
Autoren: J.K Rowling
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des Hexers zu einem großen Fest zu Ehren der Jungfrau an.
    Die Tafel war vollbeladen mit Silber und Gold und trug die edelsten Weine und üppigsten Speisen. Spielleute klimperten auf den seidenen Saiten ihrer Lauten und besangen eine Liebe, die ihr Herr nie empfunden hatte. Die junge Frau saß auf einem Thron neben dem Hexer, der mit leiser Stimme sprach und zärtliche Worte verwendete, die er den Dichtern gestohlen hatte, nicht ahnend, was sie in Wahrheit bedeuteten.
    Die junge Frau lauschte verwirrt und antwortete schließlich: »Ihr sprecht gut, Hexer, und ich wäre über Euer Werben hocherfreut, wenn ich nur glauben könnte, dass Ihr ein Herz habt!«
    Der Hexer lächelte und sagte, dass sie in dieser Hinsicht keine Furcht hegen müsse. Er bat sie, ihm zu folgen, und führte sie fort von dem Fest und hinunter zu dem abgeschlossenen Verlies, wo er seinen größten Schatz aufbewahrte.
    Hier, in einem verzauberten Kristallkasten, befand sich das pochende Herz des Hexers.
    Seit langem schon von Augen, Ohren und Fingern abgetrennt, war es nie der Schönheit zum Opfer gefallen oder einer wohlklingenden Stimme oder der Empfindung von seidenweicher Haut. Die Jungfrau war entsetzt über seinen Anblick, denn das Herz war vertrocknet und mit langen schwarzen Haaren bedeckt.
    »Oh, was habt Ihr getan?«, klagte sie. »Steckt es dorthin zurück, wo es hingehört, ich flehe Euch an!«
    Der Hexer sah, dass dies unumgänglich war, wenn er ihr gefallen wollte, und er zog seinen Zauberstab, öffnete den Kristallkasten, schnitt sich die eigene Brust auf und setzte das haarige Herz wieder in die leere Höhlung, die es einst bewohnt hatte.
    »Nun seid Ihr geheilt und werdet wahre Liebe erfahren!«, rief die Jungfrau und sie umarmte ihn.
    Die Berührung ihrer weichen weißen Arme, der Klang ihres Atems in seinem Ohr, der Duft ihres schweren goldenen Haares: All dies durchbohrte das neuerwachte Herz wie Speere. Doch es war im Laufe seiner langen Verbannung sonderbar geworden, blind und grausam in der Dunkelheit, zu der es verdammt worden war, und seine Gelüste waren nun übermächtig und verderbt.
    Die Festgäste hatten die Abwesenheit ihres Gastgebers und der jungen Frau bemerkt. Anfangs kümmerte es sie nicht, doch als die Stunden vergingen, wurde ihnen bange, und schließlich begannen sie das Schloss zu durchsuchen.
    Am Ende fanden sie das Verlies und dort erwartete sie ein äußerst schrecklicher Anblick.
    Die Jungfrau lag tot am Boden, mit aufgeschlitzter Brust, und neben ihr kauerte der wahnsinnige Hexer, in der einen blutigen Hand ein großes, glattes, glänzendes scharlachrotes Herz, das er leckte und streichelte, während er schwor, sein eigenes dafür einzutauschen.
    In der anderen Hand hielt er seinen Zauberstab und versuchte, das ausgedörrte haarige Herz aus seiner eigenen Brust hervorzulocken. Doch das haarige Herz war stärker als er und weigerte sich, die Gewalt über seine Sinne aufzugeben oder in den Sarg zurückzukehren, wo es so lange eingeschlossen gewesen war.
    Vor den entsetzten Augen seiner Gäste warf der Hexer seinen Zauberstab beiseite und packte einen silbernen Dolch. Mit dem Schwur, sich niemals von seinem Herzen beherrschen zu lassen, hackte er es aus seiner Brust heraus.
    Einen Augenblick lang saß der Hexer triumphierend auf den Knien, ein Herz fest in jeder Hand; dann fiel er über den Leichnam des Mädchens und starb.

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    Albus Dumbledore zu
»Des Hexers haariges Herz«
    Wie wir bereits gesehen haben, lösten die ersten beiden Märchen von Beedle Kritik aus, weil es darin um Großzügigkeit, Toleranz und Liebe ging. »Des Hexers haariges Herz« jedoch scheint in den Hunderten von Jahren, seit es erstmals niedergeschrieben wurde, nicht verändert oder groß kritisiert worden zu sein; die Geschichte, wie ich sie eines Tages in der ursprünglichen Runenschrift las, entsprach fast genau derjenigen, die meine Mutter mir erzählt hatte. Dies vorausgeschickt, ist »Des Hexers haariges Herz« bei weitem die grauenvollste von Beedles Darbringungen, und viele Eltern erzählen sie ihren Kindern erst dann, wenn sie diese für alt genug halten, um keine Alpträume zu bekommen. [Fußnote: Ihrem eigenen Tagebuch zufolge erholte sich Beatrix Bloxam nie davon, mitbekommen zu haben, wie ihre Tante diese Geschichte ihren älteren Cousins und Cousinen erzählte. »Rein zufällig geriet mein Öhrchen an das Schlüsselloch. Ich kann es mir nur so erklären, dass ich vor Entsetzen gelähmt gewesen sein muss, denn
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