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Die Macht des Geistes

Die Macht des Geistes

Titel: Die Macht des Geistes
Autoren: Poul Anderson
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allmählich Zeit für Kopraplantagen, Religion, Seife und internationale Konferenzen war, auf denen darüber entschieden wurde, ob dieses Atoll gemeinsam mit vielen anderen London, Paris, Berlin oder Washington gehören sollte – große Dörfer am anderen Ende der Welt.
    Schließlich wurde ein Modus vivendi gefunden, zu dem Kopra, Christentum, Tabak und Handelsschoner gehörten. Die Bewohner der Insel, die unterdessen bereits aus einem Gemisch verschiedener Rassen bestanden, waren einigermaßen zufrieden, obwohl sie jetzt mehr Sorgen als früher hatten; und als einer ihrer jungen Männer, der durch eine Verkettung seltsamer Zufälle in Amerika studiert hatte, zurückkehrte und den alten Zeiten nachtrauerte, wurde er von den Leuten ausgelacht.
    Dann entschied irgend jemand in einem Büro auf der anderen Seite der Welt, daß die Insel gebraucht werde. Vielleicht für einen Marinestützpunkt oder als Versuchsstation – die Weißen führten so viele Kriege und verbrachten den Rest ihrer Zeit damit, neue vorzubereiten. Es spielt jetzt keine Rolle mehr, für welche Zwecke das Atoll damals benötigt wurde, denn inzwischen leben keine Menschen mehr dort. Die Eingeborenen wurden irgendwohin umgesiedelt und hatten noch jahrelang Heimweh. Darum kümmerte sich allerdings niemand, denn das Atoll wurde zur Verteidigung der Freiheit des Abendlandes benötigt, und nach einiger Zeit waren die letzten Angehörigen der alten Generation gestorben, und die jungen Leute dachten nicht mehr daran. Inzwischen störten die Weißen das friedliche Leben der Möwen, indem sie Gebäude errichteten und die Lagune mit Schiffen füllten.
    Dann wurde die Insel aus irgendeinem unwichtigen Grund wieder verlassen. Vielleicht war ein Vertrag daran schuld, vielleicht aber auch eine Niederlage im Krieg oder ein wirtschaftlicher Zusammenbruch. Der Wind und der Regen und die Ranken waren nie besiegt worden. Jetzt machten sie sich daran, alle Spuren der Menschen zu beseitigen.
    Einige Jahrhunderte lang hatten die Menschen die Zeitlosigkeit der Tage und Nächte, des Regens, der Sonne, der Sterne und der Hurrikane zerstört, aber jetzt waren sie wieder verschwunden. Die Brandung stürmte gegen die Riffe an, und Unterwasserströmungen nagten an den Fundamenten der Insel, aber die Korallenpolypen wucherten weiter. Die Insel würde noch einige Jahrtausende oder noch länger bestehen, so daß wirklich kein Grund zur Eile vorhanden war. Tagsüber sprangen die Fische aus dem Wasser der Lagune, und Möwen lauerten auf ihre Beute, und die Bäume und der Bambus wuchsen rascher denn je; nachts schien der Mond silbern auf die Wellen, die sich am Strand brachen, und ein einzelner Hai zog eine Leuchtspur hinter sich her, während er um die Insel schwamm. Überall herrschte Frieden.
     
    Das Flugzeug senkte sich lautlos durch die Dunkelheit herab. Unsichtbare Radarfinger tasteten den Boden ab, und eine leise Stimme sprach in ein Mikrophon. »Tiefer ... hier herüber ... okay, langsam weiter.« Das Flugzeug setzte in einer Lichtung auf, dann stiegen zwei Männer aus.
    Andere kamen ihnen entgegen – undeutliche Schatten in der mondhellen Nacht. Einer von ihnen sprach mit dem Australiern eigentümlichen Akzent: »Doktor Grunewald, Doktor Manzelli, darf ich bekannt machen – Major Rosowski ... Sri Ramavashtar ... Mister Hwang Pu-yi ...« Er schien alle Namen von einer Liste abzulesen; einschließlich der beiden Amerikaner waren etwa ein Dutzend Männer auf der Insel versammelt.
    Noch vor nicht allzu langer Zeit wäre diese Versammlung eigenartig, wenn nicht sogar unvorstellbar gewesen: ein russischer Offizier, ein indischer Gelehrter, ein französischer Philosoph und Theologe, ein irischer Politiker, ein chinesischer Kommissar, ein australischer Ingenieur, ein schwedischer Bankier, ein ägyptischer Biologe, ein deutscher Mathematiker, ein argentinischer Gutsbesitzer und die beiden amerikanischen Physiker – die ganze Erde schien sich hier insgeheim zu einer Verschwörung versammelt zu haben. Aber alle Männer hatten sich seit der Veränderung nicht mehr mit dem Leben zurechtgefunden, und ihre gemeinsame Aufgabe sollte es sein, wieder den vorherigen Zustand herzustellen, dem sie alle nachtrauerten.
    »Ich habe das Steuergerät mitgebracht«, sagte Grunewald. »Wie steht es mit dem Rest?«
    »Alles hier. Wir können jederzeit anfangen«, erklärte ihm der Ire.
    Grunewald warf einen Blick auf seine Uhr. »Noch zwei Stunden bis Mitternacht«, stellte er fest. »Sind wir bis
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