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Die Macht der Angst (German Edition)

Die Macht der Angst (German Edition)

Titel: Die Macht der Angst (German Edition)
Autoren: Shannon McKenna
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sie an dieser Felsnase Halt gefunden hatten, sondern allein ihrem Glück. Und dann, ebenso unvermittelt:
Zack
. Das Mistding tauchte so schnell auf, dass Kev den Jungen gerade noch aus der Gefahrenzone stoßen konnte, bevor der Baumstamm gegen ihn krachte, ihm den Arm und Gott allein wusste, was noch in seinem Brustkorb zertrümmerte, sodass er hilflos im Wasser trieb, während der Stamm vertikal auf die Fälle zugeschwemmt wurde, bevor er sich in letzter Sekunde an einem Felsen verfing. Er bildete eine Barriere, einen provisorischen Damm, an dem Kev sich festhalten konnte. Wenn auch nur vorübergehend.
    Das Scheißding hatte ihm den Arm gebrochen, nur um ihn anschließend vor dem sicheren Tod zu retten. Aber sobald er freikäme, würde er ihm definitiv wieder den Stinkefinger zeigen. Dieser verfluchte Baum würde dafür sorgen, dass Kev auf ihm über die Fallkante ritt.
    Die sich ewig wiederholende Geschichte seines Lebens. Innerlich musste er über diese groteske Ironie lachen. Lief es nicht immer gleich? So war es schon mit Tony gewesen, als der ihn vor einem anderen Verhängnis gerettet und ihn trotz seines Hirntraumas, seiner desolaten körperlichen Verfassung und seiner Sprachlosigkeit bei sich aufgenommen hatte. Er hatte ihn gegen Kost und Logis in seinem Imbisslokal Teller spülen und Böden schrubben lassen. Nachts hatte Kev in dem schimmligen, fensterlosen Kabuff, das ihm als Quartier diente, auf seiner durchhängenden Pritsche gelegen und der Wandfarbe beim Abblättern zugesehen. Und das verfluchte
Jahre
lang.
    Tony war sein Rettungsseil gewesen. Dasselbe Seil, das ihn anschließend stranguliert hatte. Es hätte komisch sein können. Nur war es das nicht.
    Der Baum würde jeden Augenblick in die Tiefe stürzen. Die elastischen Äste, die sich auf der anderen Seite in den Felsen verfangen hatten, drohten unter dem Druck des reißenden Gewässers nachzugeben, das sie höhnisch dazu drängte, endlich zu kapitulieren. Der Stamm rollte und rüttelte, während sich die Strömung gnadenlos gegen ihn stemmte.
    Jeden Moment würde es so weit sein. Kev wappnete sich, versuchte, sich zu konzentrieren, sich bereitzuhalten und weiterzuatmen. Ein schwieriges Unterfangen. Er bibberte vor Kälte, war ringsum von Wasser umgeben. Der Junge riss den Mund auf und beschwor Kev verzweifelt, irgendetwas zu unternehmen. Als hätte er einfach gegen den Strom anschwimmen können, selbst wenn er nicht verletzt gewesen wäre. Er hatte nicht mehr Kraft als eine beschädigte Puppe. Mit einem finalen Ruck der reißenden Wogen kam der Baum ächzend frei. Die behäbige Zeitlupe, in der das geschah, dehnte die letzten Sekunden, in denen Kev sich an ihm festklammerte, grausam lange aus.
    Er setzte alles daran, bei Bewusstsein zu bleiben. Ihm stand sein letzter wilder Ritt bevor. Er sollte ihn besser genießen. Kev fragte sich, ob er nach seinem Tod endlich wissen würde, wer er gewesen war. Was er getan, wen er gekannt hatte. Wen geliebt.
    Wahrscheinlich nicht. Das hier war alles, was er bekommen würde. Es würde genügen müssen.
    Gurgelnd zog die Strömung ihn unter den Baumstamm, dann spuckte sie ihn hinaus in die unermessliche Weite. Über ihm und unter ihm nichts als Leere. Er überschlug sich.
    Der Engel füllte sein ganzes Bewusstsein aus. Diese großen, grauen Augen, die schmerzliche Zärtlichkeit darin. Kev verspürte einen scharfen Stich des Bedauerns, den er nicht verstand. Dann sah er ein anderes Gesicht, das ihn missbilligend anblickte, während die unveränderlichen Gesetze der Physik sich erbarmungslos an ihm austobten. Ein Gesicht, das ihn jede Nacht in seinen Träumen besuchte. Das eines jungen Mannes, seine Züge quälend vertraut.
    Kev erinnerte sich plötzlich, dass er noch an diesem Morgen im Traum mit ihm gestritten hatte. Der Mann hatte ihm die Leviten gelesen.
»Der Tod ist einfach. Das hast du mir selbst gesagt. Das Leben ist die eigentliche Herausforderung. Schwachkopf. Heuchler. Du widerst mich an.«
    Darum hatte er gewusst, dass der heutige Tag gefährlich werden würde.
    Ein Teil seines Bewusstseins jauchzte vor irrationaler Freude, als die eiskalte, mit Sprühnebel vermischte Luft über sein Gesicht rauschte.
Wow.
Dieser Ritt machte Spaß. Ein anderer Teil dachte über die Beschleunigungsrate fallender Objekte, über Scherwinde und die zu erwartende Kraft seines Aufpralls auf den Felsen unter ihm nach. In diesem letzten, endlosen Moment errechnete er sie bis zur zehnten Ziffer hinter der Dezimalstelle
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