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Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)

Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)

Titel: Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)
Autoren: Marissa Meyer
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nicht mehr verspürt hatte. So viele Lunarier mit so eigenartigen Gehirnwellen, dass selbst sie nicht alle kontrollieren konnte. Nicht alle auf einmal.
    Diese wilden Tiere – diese künstlich geschaffenen Wesen – würden sie nie lieben.
    Nicht so, wie die Menschen von Luna sie liebten.
    Nicht so, wie die Menschen der Erde sie bald lieben würden.

46
    Scarlet weinte stundenlang zusammengerollt auf der unteren Koje ihres neuen Mannschaftsquartiers. Jedes Schluchzen brannte in ihren überanstrengten Muskeln, aber die Schmerzen brachten die Erinnerungen zurück und sie weinte noch mehr.
    Als sie in der untersten Schublade ihrer Kajüte auf eine Militäruniform gestoßen war, hatte sie nichts mehr von dem Adrenalinschub und ihrer Wut verspürt. Die amerikanische Uniform war zwar weiß und grau und nicht blau wie die der europäischen Piloten, doch sie sah derjenigen, die ihre Großmutter in ihrer Militärzeit getragen hatte, bemerkenswert ähnlich.
    Sie hatte das weiße Uniformhemd so lange in den Händen zerknautscht und mit ihren Tränen durchnässt, dass es inzwischen fast so dreckig war wie die Sachen, die sie eigentlich hatte wechseln wollen.
    Sie bebte am ganzen Körper, als ihre Tränen endlich versiegten. Dann holte sie tief Luft, ließ sich auf den Rücken rollen und wischte sich das nasse Gesicht mit dem Baumwollhemd ab. Jedes Mal wenn das Schluchzen nachgelassen hatte, hallte es in ihrem Kopf: Grand-mère ist tot , und sie hatte erneut schluchzen müssen. Aber jetzt klangen die Worte nur noch hohl und der stechende Schmerz war wie betäubt.
    Ihr knurrte der Magen.
    Mit der Hand auf dem Bauch fragte sich Scarlet, ob sie vergessen könnte, dass sie seit mehr als einem Tag nichts gegessen hatte, wenn sie einzuschlafen versuchte. Doch als sie mit geschlossenen Augen dort lag und darauf hoffte, dass sie vor Erschöpfung einschlief, meldete sich ihr Magen wieder. Und zwar lauter als zuvor.
    Scarlet zog wütend die Nase hoch und setzte sich auf. Ihr war vor Durst ganz schwindelig, aber sie stolperte auf die Tür zu.
    Aus der Kombüse kam ein Krachen. Am Ende des Gangs sah sie Wolf mit einer Büchse in der Hand über die Arbeitsfläche gebeugt.
    Beim Näherkommen erkannte sie im Licht der Kombüse übertrieben rote Tomaten auf dem Etikett. Die Dose war verbeult, Wolf musste wohl versucht haben, sie mit einem Fleischklopfer zu öffnen.
    Er warf ihr von unten einen Blick zu und sie war froh, nicht die Einzige mit rotem Gesicht zu sein. »Warum tut man hier Essen rein, wenn man das Ding nicht wieder aufbekommt?«
    Sie biss sich auf die Lippe, weil sie sich ein Lächeln verkneifen musste, ob aus Mitleid oder wegen der Situationskomik. »Hast du es mal mit einem Dosenöffner versucht?«
    Da Wolf sie ausdruckslos ansah, durchsuchte sie die oberste Schublade. »Wir Erdbewohner haben alle möglichen Werkzeuge für alle möglichen Gelegenheiten«, sagte sie und hielt einen Büchsenöffner hoch. Dann stieß sie ein Loch in den Deckel der Dose und drehte langsam den Deckel ab.
    Wolfs Ohren glühten, als er ihn anhob und mit gerunzelter Stirn die grellrote Tomatenpampe betrachtete. »Ich hatte mir das irgendwie anders vorgestellt.«
    »Sie sind ja auch nicht frisch geerntet wie die aus meinem Garten, aber was bleibt uns übrig?« Scarlet fand noch eine Dose Oliven und ein Glas eingelegte Artischocken. »Komm, es gibt Antipasti.«
    Eine zarte Berührung am Hinterkopf ließ sie zusammenzucken. Wolf senkte die Hand. »Tut mir leid. Du hast hier … in deinen Haaren …«
    Scarlet setzte die Konservenbüchsen ab und strich sich durch die Haare. Sie waren verfilzt und voller Nester. Dann schob sie Wolf die Oliven hinüber. »Willst du’s mal mit dem Dosenöffner versuchen?«
    Sie zog abwesend ihre verhedderten Strähnen auseinander, nahm eine Gabel und setzte sich an den Tisch, in den Militärs vor vielen Jahren ihre Initialen eingekerbt hatten wie in ihrer Gefängniszelle im Opernhaus. Auch wenn es unvergleichlich viel besser war, hier in dem Raumschiff zu sein, als in dem Keller festzusitzen, fühlte sie sich beengt und eingesperrt. Ihre Großmutter musste in ihrer Militärzeit auf einem ähnlichen Raumschiff stationiert gewesen sein. Kein Wunder, dass sie sich auf den Bauernhof zurückgezogen hatte, wo der Himmel so hoch und der Horizont so weit war.
    Hoffentlich kümmerte Emilie sich noch um die Tiere.
    Als sie keine Nester mehr fand, strich sie sich über die Haare und öffnete das Artischockenglas. Wolf stand noch immer
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