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Die Luna-Chroniken, Band 1: Wie Monde so silbern (German Edition)

Die Luna-Chroniken, Band 1: Wie Monde so silbern (German Edition)

Titel: Die Luna-Chroniken, Band 1: Wie Monde so silbern (German Edition)
Autoren: Marissa Meyer
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schlurfenden Schritten. Cinder warf noch einen Blick durch den Spalt. Etwas Brennendes wurde in den Stand geworfen und bald vermischte sich der Geruch von Benzin mit dem von angebranntem Toast. Die Männer waren zurückgetreten, ihre uniformierten Gestalten hoben sich deutlich von den auflodernden Flammen ab.
    Cinder tastete nach Prinz Kais Androidin und zog sie zu sich herunter. Sie klemmte die Androidin unter den Arm, dann schob sie die Rolltür so weit hoch, dass sie darunter durchrobben konnte, die Rücken der Männer fest im Blick. Iko folgte ihr und flitzte zum nächsten Stand, als Cinder die Tür herunterließ. Sie schossen an den Ständen vorüber, von denen die meisten bei der Massenflucht weit geöffnet zurückgelassen worden waren, und bogen in die erste enge Gasse zwischen den Läden. Dunkle Rauchschwaden stiegen in den Himmel über ihnen. Sekunden später brauste eine Gruppe Nachrichtenhover über die Gebäude hinweg zum Marktplatz.
    Als sie weit genug entfernt waren und das Gewirr von Gassen verlassen hatten, liefen sie langsamer. Die Sonne ging hinter den Hochhäusern im Westen unter. Die feuchte Augusthitze stand regungslos zwischen den Gebäuden, nur manchmal wehte eine warme Brise und wirbelte den Abfall aus der Gosse auf. Vier Straßen vom Markt entfernt gab es wieder Anzeichen von normalem Leben – Fußgänger standen auf den Bürgersteigen herum und tratschten über den Ausbruch der Blauen Pest. Die Netscreens an den Häuserwänden zeigten Live-Bilder von dem Feuer und dem Rauch im Zentrum von Neu-Peking, untertitelt mit sensationsheischenden Schlagzeilen, in denen die Zahl der Infizierten mit jeder Sekunde anstieg – obwohl bisher erst ein Mensch offiziell für pestkrank erklärt worden war, soweit Cinder es überblickte.
    »All die klebrigen Brötchen«, sagte Iko, als sie an einer Nahaufnahme des verkohlten Stands vorbeigingen.
    Cinder biss sich in die Wange. Sie hatten beide noch nie die berühmten Süßigkeiten der Marktbäckerei probiert. Iko, weil sie keine Geschmacksnerven hatte, und Cinder, weil Chang Sacha keine Cyborgs bediente.
    Nach und nach gingen die hoch aufragenden Bürogebäude und Einkaufszentren in ein chaotisches Viertel aus Apartmenthäusern über, die so dicht nebeneinanderstanden, dass sie wie eine endlose Landschaft aus Glas und Beton aussahen. Früher waren die Wohnungen in dieser Gegend geräumig und begehrt gewesen, aber mit den Jahren waren sie so oft unterteilt und umgestaltet worden – immer in dem Versuch, mehr Menschen auf derselben Quadratmeterzahl unterzubringen –, dass aus den Gebäuden Labyrinthe von Korridoren und Treppenhäusern geworden waren.
    Doch Cinder vergaß das hässliche Viertel, als sie in ihre eigene Straße einbog, denn für einen flüchtigen Moment konnte sie zwischen den Gebäuden einen Blick auf den Palast von Neu-Peking erhaschen, der prachtvoll auf der Klippe hinter der Stadt aufragte. Die spitzen Golddächer des Palastes glitzerten orange in der Sonne und die Fenster warfen ihr schimmerndes Licht auf die Stadt zurück. Verzierte Giebel, gestaffelte Pavillons, die gefährlich nah am Klippenrand balancierten, und runde Tempel, die sich in den Himmel reckten. Cinder nahm sich mehr Zeit als sonst, um den Palast zu betrachten, und dachte an jemanden, der hinter diesen Mauern lebte, der vielleicht sogar in dieser Sekunde dort oben war.
    Natürlich hatte sie immer gewusst, dass der Prinz dort wohnte, wenn sie den Palast angesehen hatte, aber heute fühlte sie eine Verbindung, die es vorher nicht gegeben hatte, und mit ihr eine fast stolze Freude. Sie hatte den Prinzen kennengelernt. Er war zu ihrem Stand gekommen. Er wusste, wie sie hieß.
    Sie atmete die feuchte Luft ein und zwang sich weiterzugehen. Das war albern. Sie klang schon fast wie Peony.
    Sie nahm die königliche Androidin unter den anderen Arm, als sie mit Iko unter dem Überbau des Phoenix Towers hindurchging. Ihr freies Handgelenk hielt sie vor den ID-Scanner an der Wand und hörte das Klicken des Schlosses.
    Iko nutzte ihre Armverlängerungen, um die Kellertreppe herunterzuscheppern, hinein in ein halbdunkles Labyrinth von Lagerräumen, die mit Kaninchendraht abgesperrt waren. Ein schimmeliger Geruch schlug ihnen entgegen. Die Androidin schaltete ihre Scheinwerfer ein und vertrieb die Schatten, die das spärliche Halogenlicht geworfen hatte. Der Weg vom Treppenhaus zum Lagerraum Nr. 18–20 war ihnen vertraut – zu der beengten, kühlen Zelle, in der Adri Cinder zu
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