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Die Loge

Die Loge

Titel: Die Loge
Autoren: Daniel Silva
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Fußweg, der zur Umfassungsmauer des Vatikans führte. »Kommen Sie«, sagte er dabei. »Ich möchte Ihnen etwas zeigen.« Sie gingen direkt auf den Sendemast von Radio Vatikan zu. An der Mauer stiegen sie eine Steintreppe zur Brustwehr hinauf. Dort lag Rom vor ihnen: dröhnend und rauschend, staubig und schmutzig – die Ewige Stadt. Aus dieser Perspektive und bei diesem Licht hatte sie Ähnlichkeit mit Jerusalem. Hier fehlte nur der Ruf des Muezzins, der die Gläubigen zum Abendgebet rief. Dann folgte Gabriels Blick dem Lauf des Tibers bis zur Synagoge am Eingang des alten Ghettos, und er erkannte, weshalb der Papst ihn hierhergeführt hatte.
    »Sie haben eine Frage, die Sie mir stellen möchten, Gabriel?«
    »Ja, Euer Heiligkeit.«
    »Ich vermute, Sie wollen wissen, von wem Ihr Freund Benjamin Stern die Dokumente über das Geheimtreffen am Gardasee bekommen hat.«
    »Ihr seid sehr weise, Euer Heiligkeit.«
    »Bin ich das? Sehen Sie sich nur an, was ich angerichtet habe.«
    Der Papst schwieg einen Augenblick, während er weiter die turmhoch aufragende Synagoge betrachtete. Schließlich wandte er sich an Gabriel. »Wollen Sie mein Beichtvater sein, Gabriel – natürlich nur sinnbildlich?«
    »Ich bin, was Ihr wünscht, Euer Heiligkeit.«
    »Sie kennen den Begriff des Beichtgeheimnisses? Was ich Ihnen heute abend anvertraue, dürfen Sie niemals weitererzählen. Damit lege ich mein Leben zum zweitenmal in Ihre Hände.« Er zögerte kurz. »Die Frage ist nur: Wessen Hände sind das? Die Hände Gabriel Allons? Oder die Hände Mario Delvecchios, des Restaurators?«
    »Wer wäre Euch lieber?«
    Der Papst blickte erneut über den Fluß zur Synagoge hinüber; dann begann er zu sprechen, ohne jedoch Gabriels Frage zu beantworten.
    Paul VII. erzählte von dem Konklave, von der schrecklichen Nacht im Wohnheim St. Martha, in der er Gott wie damals Jesus im Garten Gethsemane angefleht hatte, diesen Kelch an ihm vorübergehen zu lassen. Wie konnte sich ein Mann, der das schreckliche Geheimnis aus dem Kloster am Gardasee kannte, zum Oberhirten der Kirche wählen lassen? Was würde er mit diesem Wissen anfangen? In der Nacht vor dem entscheidenden Wahlgang rief er Monsignore Donati in sein Zimmer und erklärte ihm, falls er zum Papst gewählt werde, werde er die Wahl nicht annehmen. Dann erzählte er seinem bewährten Mitarbeiter zum erstenmal, was sich im Jahr 1942 in dem Frauenkloster am Gardasee ereignet hatte.
    »Monsignore Donati war entsetzt«, berichtete der Papst. »Seiner Überzeugung nach hatte mich der Heilige Geist aus einem bestimmten Grund erwählt – damit ich dieses Geheimnis offenbare und die Kirche reinige. Aber Donati ist auch ein sehr cleverer Mann und ein gewiefter Taktiker. Er wußte, daß es darauf ankam, das Geheimnis so zu enthüllen, daß meine Autorität als Papst nicht gleich zu Beginn meiner Amtszeit beschädigt wurde.«
    »Es mußte von einer anderen Person als Euch offenbart werden.«
    Der Papst nickte. Ganz recht.
    Monsignore Donati hatte sich auf die Suche nach Schwester Regina Carcassi gemacht. Wie sich nachträglich herausstellte, hatte vermutlich Donatis hartnäckige Suche in kirchlichen Unterlagen die Schergen der Crux Vera alarmiert. Er spürte sie in einem Dorf in Oberitalien auf, wo sie allein lebte. Als er sie nach den Ereignissen jener Nacht des Jahres 1942 befragte, übergab sie ihm eine Fotokopie des Berichts, den sie am Abend vor ihrer Hochzeit geschrieben hatte. Dann fragte er sie, ob sie bereit sei, öffentlich auszusagen. Seit damals sei genügend Zeit vergangen, sagte Regina Carcassi. Sie werde tun, was Monsignore Donati verlange.
    Obwohl Schwester Reginas Bericht beweiskräftig war, wußte Monsignore Donati, daß er noch mehr brauchte. In der Kurie ging seit Jahren das Gerücht um, der KGB habe ein Dokument besessen, mit dem er der katholischen Kirche ernstlich hätte schaden können. Angeblich war dieses Schriftstück während der Auseinandersetzung mit dem polnischen Papst beinahe der westlichen Presse zugespielt worden, aber besonnenere Köpfe im KGB hatten sich durchgesetzt, und das Dokument blieb im KGB-Archiv vergraben. Donati flog heimlich nach Moskau und traf mit dem Direktor der KGB-Nachfolgeorganisation FSB zusammen. Nach dreitägigen Verhandlungen wurde ihm das Dokument übergeben, das die vorrückenden Russen in den letzten Kriegstagen erbeutet hatten: ein von Martin Luther für Adolf Eichmann verfaßtes Memorandum über ein Geheimtreffen in einem Kloster am
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